Entscheidungen wie die drei vorstehenden OLG-Beschlüsse sind in der Praxis an der Tagesordnung, weil den meisten Anwälten die gesetzlich geregelte Verknüpfung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe/Gerichtskostenbefreiung/Kostenerstattung nicht bekannt ist. Die meisten Anwälte meinen, wenn sie im Rahmen der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnet worden sind, bräuchten sie sich keine weiteren Gedanken zu machen. Die eigenen Kosten sowie sämtliche Gerichtskosten würden von der Staatskasse übernommen.
Diese Annahme erweist sich im Nachhinein oft als Trugschluss und führt zur Kostenbelastung der Partei und damit letztlich zu Schadenersatzansprüchen gegen den Anwalt, da dies nämlich hätte verhindert werden können.
Anknüpfungspunkt ist § 31 GKG bzw. der insoweit inhaltsgleiche § 29 FamGKG.
§ 31 Mehrere Kostenschuldner
(1) Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner.
(2) …
(3) Soweit einem Kostenschuldner, der aufgrund von § 29 Nr. 1 haftet (Entscheidungsschuldner), Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, darf die Haftung eines anderen Kostenschuldners nicht geltend gemacht werden; von diesem bereits erhobene Kosten sind zurückzuzahlen…
Danach gilt vereinfacht Folgendes:
Als Antragsteller ist die bedürftige Partei von den Gerichtskosten befreit.
Auch soweit eine bedürftige Partei hinsichtlich der Gerichtskosten zum Entscheidungsschuldner wird, stellt die Landeskasse sie frei. Soweit der Gegner solche Kosten bereits gezahlt hat, muss die Landeskasse diese an den Gegner zurückzahlen. Der Gegner wird in diesem Fall also nicht endgültig mit "fremden" Kosten belastet, so dass ihm insoweit auch kein Kostenerstattungsanspruch zustehen kann.
Übernimmt eine bedürftige Partei dagegen freiwillig Gerichtskosten, dann wird sie nicht befreit, weil der Befreiungstatbestand nur für den Entscheidungsschuldner gilt, nicht aber für den Übernahmeschuldner. Hat in diesem Fall also der Gegner bereits Gerichtskosten vorausgezahlt, die anteilig von der bedürftigen Partei zu zahlen sind, so tritt insoweit die Staatskasse nicht ein und zahlt auch nichts an den Gegner zurück. Dieser ist jetzt vielmehr mit (vorausgezahlten) Kosten belastet, die die bedürftige Partei kraft Übernahme zu tragen hat. Ihm entsteht also jetzt ein Erstattungsanspruch, der unbeschadet der bewilligten Prozesskostenhilfe gegen die bedürftige Partei geltend gemacht werden kann. Nach § 123 ZPO schützt die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht vor Kostenerstattungsansprüchen des Gegners.
In der Regel ergeben sich Erstattungansprüche, wenn der Gegner Kläger oder Antragsteller ist und als solcher Gerichtskosten vorgelegt hat.
Beispiel 1
Der Kläger klagt eine Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR gegen die bedürftige Partei ein, der Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Die Parteien schließen einen Vergleich, wonach die bedürftige Partei 5.000,00 EUR zahlt und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.
Der Kläger hat eine 3,0-Gerichtsgebühr vorausgezahlt (Nr. 1210 GKG-KostVerz). Aufgrund des Vergleichs erhält er zwei Gebühren zurück (Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz.), so dass eine 1,0-Gebühr bei ihm verbleibt.
Da die Kosten gegeneinander aufgehoben worden sind, haften beide Parteien hälftig, also jeder auf eine halbe Gerichtsgebühr. Folglich kann der Kläger von der bedürftigen Partei die Erstattung einer 0,5-Gerichtsgebühr verlangen.
Die Landeskasse tritt jetzt nicht nach § 31 Abs. 3 GKG ein und zahlt folglich nicht die halbe Gerichtsgebühr an den Kläger zurück. Die bedürftige Partei hat diese Kosten freiwillig übernommen. Sie ist nicht Entscheidungsschuldnerin und damit nicht freigestellt.
Die bedürftige Partei wird also jetzt eine halbe Gerichtsgebühr erstatten müssen.
Ist eine Gerichtskostenermäßigung ausgeschlossen, haftet sie sogar auf eine 1,5-Gerichtsgebühr.
Beispiel 2
Wie vorangegangenes Beispiel; gegen die bedürftige Partei war jedoch vorab ein Versäumnisurteil ergangen, Auf Einspruch hin kommt es zur mündlichen Verhandlung und dem Abschluss eines Vergleichs, in dem die Kosten gegeneinander aufgehoben werden.
Infolge des vorangegangenen Versäumnisurteils ist eine Gerichtskostenermäßigung jetzt ausgeschlossen (Nr. 1211 GKG KostVerz. a.E.), so dass der Kläger endgültig mit drei Gerichtsgebühren belastet bleibt und damit 1,5 von der bedürftigen Partei erstattet verlangen kann.
Übersehen wird, dass eine Kostenerstattung auch dann in Betracht kommen kann, wenn die bedürftige Partei selbst Antragstellerin ist. Zwar wird sie dann von den zu zahlenden Gerichtsgebühren als Antragstellerin freigestellt; auch hier können sich jedoch Erstattungsansprüche ergeben.
Beispiel 3
In einem Sorgerechtsverfahren beantragt die bedürftige Partei, ihr die alleinige elterliche Sorge zu übertragen. In dem Verfahren wird schließlich ein Vergleich geschlossen. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Von der angefallenen 0,5-Gerichtsgebühr (Nr. 1310 FamGKG, KostVerz.) wird sich die Staatskasse 1/2 beim Gegner holen. Die auf die Antragstellerin entfallend...