"Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren." Was André Gide zu sagen vermochte, weiß Vechta zu praktizieren:
Die in Vorbem. 3 Abs. 3 RVG bestimmte Terminsgebühr hat die frühere Verhandlungs- (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) und Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) ersetzt. Für das Entstehen der Terminsgebühr soll es seit Inkrafttreten des RVG genügen, dass der Rechtsanwalt einen Termin, zu dem er geladen worden ist, wahrnimmt. Die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nichtstreitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder nur zur Prozess- oder Sachleitung sind entfallen. Der Anwalt soll demnach nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb kann die Gebühr auch bereits verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Allein diese Begründung des Gesetzgebers trägt die selbst so bezeichnete über den Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 3 VV hinausgehende Auslegung des AG.
Die Entscheidung ist zutreffend. Das AG hatte die Verfahrensbevollmächtigten zu einem für die Eltern bestimmten Anhörungstermin geladen. § 160 FamFG sieht auch ausdrücklich vor, dass in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, die Eltern persönlich anzuhören sind. Das FamG beschreibt zutreffend, dass die Anhörung der Kindeseltern stets im Rahmen der Anwesenheit der übrigen Beteiligten, insbesondere auch ihrer Verfahrensbevollmächtigten, erfolgt. Auf der Grundlage des so verfügten "Anhörungstermins" hatte das FamG der allein sorgeberechtigten Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Der "Anhörungstermin", über den das FamG einen Vermerk gefertigt hatte, war – wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt – demnach offenkundig auch zugleich Erörterungstermin. Nachweislich war insbesondere das im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten im "Elternanhörungstermin" diskutiert worden.
In Kindschaftssachen ordnet das Gesetz an, dass das Gericht mit den Beteiligten die Sache erörtern soll (§§ 155 Abs. 2, 157 Abs. 1 FamFG). Davon machen die Gerichte auch regelmäßig Gebrauch und hören in diesem Rahmen eines nach § 155 FamFG anberaumten Termins die Kindeseltern an. Diese Erörterung ist regelmäßig auch die entscheidende Grundlage für den Ausgang des Verfahrens. Es ist praxisfremd, die jeweils im Gesetz vorgesehenen Anhörungen in gesonderten Terminen durchzuführen. Das machen die Gerichte in der Praxis auch nicht. Vechta hat zwar zur Anhörung der Eltern geladen, die Sache faktisch aber mit allen Beteiligten erörtert. Insoweit ist in dem von Vechta entschiedenen Fall bereits keine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Vorbem. 3 Abs. 3 VV erforderlich, weil das FamG letztendlich nur das, was es im Termin praktiziert hat, falsch bezeichnet hat. Die Beantwortung der Frage, ob "reine Anhörungstermine" im Übrigen die Terminsgebühr auslösen, hätte deshalb durchaus auch offen bleiben können.
Gestaltet das FamG die nach § 159 FamFG durchzuführende persönliche Anhörung des Kindes nur in Anwesenheit des Verfahrensbeistandes, aber in Abwesenheit der übrigen Beteiligten, so wird die Terminsgebühr nicht ausgelöst. Auch für die Teilnahme an einem Anhörungstermin nach § 613 ZPO a.F./§ 128 Abs. 3 FamFG fällt nach Auffassung des OLG Koblenz und des OLG Düsseldorf keine Terminsgebühr an. Begründet werden die Auffassungen damit, dass die Anhörung allein dem Untersuchungsgrundsatz folge, die reine Anhörung in Vorbem. 3 Abs. 3 VV ausdrücklich nicht genannt sei und die Anberaumung eines weiteren Termins nicht entbehrlich gemacht werde. Ob ein Anhörungstermin, zu dem die Beteiligten geladen werden, die Terminsgebühr auslöst, ist stets individuell zu überprüfen und wird nicht pauschal zu beantworten sein.
Davon abzugrenzen ist die Beantwortung der Frage, ob eine Terminsgebühr anfällt, soweit das Gesetz eine Erörterung in einem Termin vorsieht, aber ein schriftlicher Vergleich unter Verzicht auf eine mündliche Erörterung geschlossen wird. Soweit eine mündliche Erörterung nicht erforderlich ist, löst auch der schriftliche Vergleich keine Terminsgebühr aus. Soweit das Gesetz eine Erörterung im Termin vorsieht, muss die Terminsgebühr auch dann anfallen, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, auch wenn diese Frage bisher noch unterschiedlich beantwortet wird.
FAFamR Lotte Thiel, Koblenz