RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 FamFG §§ 155, 157
Leitsatz
Auch für die Teilnahme an einem Anhörungstermin entsteht eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV. Anhörungstermine in Familiensachen sind Erörterungsterminen i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV gleichzustellen.
AG Vechta, Beschl. v. 15.3.2011 – 12 F 534/09 SO
1 Sachverhalt
In dem abgeschlossenen Hauptsacheverfahren hatte das Gericht der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter mit Beschluss das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr Kind entzogen und das Jugendamt zum Aufenthaltsbestimmungspfleger bestellt. Dem vorausgegangen war ein Termin, den das Gericht in der Ladung als Anhörungstermin für die Eltern bezeichnet hatte. An dem Termin nahm die Verfahrensbevollmächtigte zusammen mit der Kindesmutter teil. Über den Termin fertigte das Gericht kein Protokoll, sondern einen Anhörungsvermerk.
Die Verfahrensbevollmächtigte beantragte daraufhin die Festsetzung ihrer Kosten als beigeordnete Rechtsanwältin einschließlich einer Terminsgebühr zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Kostenbeamtin lehnte die Festsetzung der Terminsgebühr ab. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten.
Der Bezirksrevisor bei dem LG hat beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen, und hat dazu ausgeführt, ein Termin zur Anhörung des Kindes, der Eltern, der Pflegepersonen und des Jugendamtes im Sorgerechtsverfahren nach §§ 159 ff. FamFG löse keine Terminsgebühr aus.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist gem. § 56 RVG zulässig und auch begründet. Der Verfahrensbevollmächtigten steht eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV zu, da sie an einem Termin im Sinne dieser Vorschrift teilgenommen hat.
Entgegen der in der Stellungnahme des Bezirksrevisors zum Ausdruck kommenden Auffassung galt für das Verfahren gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch die bis zum 31.8.2009 geltende Rechtslage, da es bereits vor dem 1.9.2009 durch Erlass einer einstweiligen Anordnung am 14.8.2009 eingeleitet worden war. Die nachfolgenden Erwägungen treffen allerdings sowohl auf die alte als auch auf die nach dem 1.9.2009 geltende Rechtslage zu, da die hier interessierenden Vorschriften nahezu wortgleich vom FGG in das FamFG übernommen worden sind.
Nach dem Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 3 VV entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin. Nicht erwähnt ist dagegen die Vertretung in einem Anhörungstermin. Daraus wird gefolgert, für die Teilnahme an einem solchen Anhörungstermin entstehe keine Terminsgebühr. Der Anhörungstermin diene im Gegensatz zum Erörterungstermin nicht vorrangig der Wahrung des rechtlichen Gehörs, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks (so Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, Vorbem. 3 Rn 41 mit nicht zutreffendem Hinweis auf OLG Oldenburg FamRZ 2009, 1859 [= AGS 2009, 219] u. OLG Stuttgart FamRZ 2007, 233 [= AGS 2007, 503]).
Dem kann nicht gefolgt werden.
Die hier zu beurteilende Frage ist zunächst von dem Problem zu unterscheiden, ob im Sorgerechtsverfahren eine Terminsgebühr für den Rechtsanwalt auch dann entsteht, wenn überhaupt kein Termin stattgefunden hat. Dazu bestimmt Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV, dass eine Terminsgebühr auch entsteht, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Nur mit dieser Konstellation beschäftigen sich die o.g. Entscheidungen des OLG Oldenburg und des OLG Stuttgart (mit dem Ergebnis, dass eine Gebühr nicht entstehe; a.A. für die ab dem 1.9.2009 geltende Rechtslage mit zutreffenden Argumenten OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2010 – 8 WF 133/10 [= AGS 2010, 586]). Darum geht es hier indessen nicht, da ein Termin unter Teilnahme der Verfahrensbevollmächtigten stattgefunden hat.
Sowohl das FGG als auch das FamFG sehen im Sorgerechtsverfahren Anhörungs- und Erörterungstermine vor. Eine genaue Differenzierung zwischen diesen Terminen findet nicht statt (a.A. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Vorbem. 3 Rn 41). Nach § 50e FGG (jetzt § 155 § FamFG) "erörtert" das Gericht die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. In diesem Termin hört das Gericht das Jugendamt an. Nach § 50f FGG (jetzt § 157 FamFG) soll das Gericht mit den Eltern und in geeigneten Fällen auch mit dem Kind erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls begegnet werden kann. In den gleichen Verfahren hat das Gericht gem. § 50a FGG (jetzt § 160 FamFG) die Eltern persönlich anzuhören. Es erschiene lebensfremd, zwischen der Erörterung einerseits und der Anhörung andererseits zu differenzieren. In der gerichtlichen Praxis finden Anhörung und Erörterung in aller Regel in einem gemeinsamen Termin statt. Es würde Sinn und Zweck und dem Zusammenspiel der genannten Vorschriften widersprechen, würde das Gericht einerseits einen Anhörungstermin durchführen, nur um sich einen persönlichen Eindruck von den Eltern zu verschaffen, und dann andererseits einen (weiteren) Termin zur Erörterung der Angelegenheit mit den Eltern anberaumen. Anhörung und Erörterung müssen nach Sinn u...