RVG VV Nrn. 4200 ff.
Leitsatz
Das Verfahren über die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist kostenrechtlich als Teil des Verfahrens über die Aussetzung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach Nr. 4200 Nr. 2 VV anzusehen.
KG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 Ws 39/11
1 Sachverhalt
Das LG Berlin hat den Angeklagten mit rechtskräftigem Urteil zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. 15 Jahre dieser Strafe waren am 6.10.2009 verbüßt. Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist die Mindestverbüßungsdauer zunächst durch Beschluss des LG nach Durchführung eines Anhörungstermins auf 22 Jahre festgesetzt worden. Der Beschwerdeführer ist dem Verurteilten im Anhörungstermin gem. § 140 Abs. 2 StPO analog für das Vollstreckungsverfahren zum Verteidiger bestellt worden. Auf die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft hat das KG unter Aufhebung des vorgenannten Beschlusses die Mindestverbüßungsdauer auf 27 Jahre festgesetzt. Mit seinen Kostenfestsetzungsanträgen hat der Beschwerdeführer jeweils den Ansatz einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4201 i.V.m. Nr. 4200 Nr. 2 VV in Höhe von 300,00 EUR sowie für den Anhörungstermin eine Terminsgebühr nach Nr. 4203 VV in Höhe von 145,00 EUR nebst Kostenpauschale und Umsatzsteuer geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat für das Verfahren vor dem LG sowie für das Beschwerdeverfahren zunächst nur "als Abschlag" jeweils eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4205 VV in Höhe von 133,00 EUR sowie eine Terminsgebühr nach Nr. 4207 VV in Höhe von ebenfalls 133,00 EUR (nebst Kostenpauschale und Umsatzsteuer) festgesetzt und zur Zahlung angewiesen. Mit Beschl. v. 29.3.2011 ist in Ergänzung dieser Festsetzung festgestellt worden, dass es "bei der Festsetzung in dieser Höhe bleibt".
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat das LG in dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung verwiesen wird, zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.
2 Aus den Gründen
1. Die durch das LG in dem angefochtenen Beschluss bestätigte Festsetzung der genannten Gebühren für "sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung" (Nrn. 4204-4207 VV) kann keinen Bestand haben, weil das Verfahren über die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer kostenrechtlich als Teil des Verfahrens über die Aussetzung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach Nr. 4200 Nr. 2 VV anzusehen ist.
a) Die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe ist die Vorstufe und zwingende Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens über die Reststrafenaussetzung im engeren Sinne. Gem. § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB ist in Fällen, in denen die besondere Schwere der Schuld eines Verurteilten rechtskräftig festgestellt worden ist, nach ständiger Rspr. des BVerfG (vgl. BVerfG NStZ 1993, 431) vor dem Ablauf der Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren (§ 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB) darüber zu entscheiden, bis zu welchem Zeitpunkt die Strafe mindestens zu verbüßen ist. Stellt der Verurteilte selbst keinen entsprechenden Antrag, ist von Amts wegen hierüber zu entscheiden. Das hierbei einzuhaltende Verfahren richtet sich, wie auch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Entscheidungspraxis festgestellt hat, nach § 454 StPO (gesetzliche Überschrift der Norm: Aussetzung des Strafrestes; vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.12.1994 – 2 BvR 2504/93 – m. w. Nachw.; Appl, in: KK zur StPO, 6. Aufl., § 454 Rn 48 f). Ein Verurteilter hat zwar keinen gesetzlichen oder sich aus der Verfassung ergebenden Anspruch auf eine isolierte Festsetzung der Vollstreckungsdauer (vgl. BVerfG NJW 1995, 3247), eine solche Entscheidung ist aber nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.2.1993 – 2 BvR 181/93; KG, Beschl. v. 25.7.2006 – (1) 2 StE 2/93 (19/93) – m. w. Nachw.). Über die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer entscheidet gem. § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit drei Richtern (vgl. Mosbacher, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 57a Rn 24). Schon diese Einordnung des Verfahrens über die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer indiziert dessen Zugehörigkeit zum Aussetzungsverfahren.
b) Die Argumentation des LG, dass sich die Vergütung nach Nrn. 4205 und 4207 VV richte, weil die Gebührentatbestände als Spezialvorschriften eng auszulegen seien und alle nicht von der abschließenden Aufzählung in Nr. 4200 VV erfassten Tätigkeiten daher nach den Auffangvorschriften der Nrn. 4204 ff. VV zu vergüten seien, verfängt nicht. Für diese Sichtweise spricht zwar die wörtliche Formulierung des Gesetzes, sie löst sich jedoch von Sinn und Zweck der Regelung. Das KG hat bereits bezüglich der Vergütung eines Pflichtverteidigers im jährlichen Überprüfungsverfahren für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67e StGB entschieden, dass der Gebührentatbestand der Nr. 4200 Nr. 1 VV über den Wortlaut hinaus nicht nur durch ein Strafvollstre...