Einführung
Seit dem 1.8.2013 muss sich der Anwalt aufgrund des Inkrafttretens des 2. KostRMoG wieder vermehrt mit Fragen des Übergangsrechts (§ 60 RVG) befassen. Das Augenmerk dieses Beitrags soll auf die Anrechnungsfälle gerichtet werden, also auf diejenigen Fälle, in denen sich die neue Angelegenheit bereits nach den Vorschriften des neuen Rechts richtet, die anzurechnenden Gebühren jedoch aus einer gesonderten gebührenrechtlichen Angelegenheit stammen, die noch nach altem Recht zu behandeln ist.
Solche Fälle treten in allen Anrechnungsfällen auf, in denen der Auftrag zur vorangegangenen Angelegenheit vor dem 1.8.2013 erteilt worden war, der Auftrag zur nachfolgenden Angelegenheit dagegen erst nach dem 31.7.2013 erteilt worden ist oder noch erteilt werden wird.
I. Grundsätze
An sich ist die Frage der Anrechnung recht einfach zu beantworten. Es gelten die folgenden beiden Grundsätze:
1. Die Frage der Anrechnung, also ob und wie anzurechnen ist, richtet sich nach den Vorschriften des neuen Rechts (§ 60 RVG).
2. Die Frage, von welchem anzurechnenden Betrag (ganz oder teilweise) für die Anrechnung auszugehen ist, richtet sich dagegen nach altem Recht. Der Anwalt muss sich nur das anrechnen lassen, was er auch erhalten hat.
II. Außergerichtliche Vertretung/gerichtliches Verfahren
War der Anwalt nach altem Recht außergerichtlich tätig, ist ihm aber der Auftrag zur gerichtlichen Tätigkeit nach neuem Recht erteilt worden, dann gilt für die Geschäftsgebühr altes Recht und für die gerichtlichen Gebühren neues Recht. Anzurechnen ist die Geschäftsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 4 VV) hälftig, aber aus den Beträgen des alten Rechts, da nicht mehr angerechnet werden darf, als der Anwalt tatsächlich auch erhalten hat.
Beispiel
Der Anwalt war im Mai 2013 außergerichtlich beauftragt worden. Im August 2013 hat er Klageauftrag erhalten. Der Gegenstandswert beträgt 6.000,00 EUR.
Die Geschäftgebühr (Nr. 2300 VV) richtet sich nach den Gebührenbeträgen des § 13 RVG a.F., die gerichtlichen Gebühren dagegen bereits nach den Beträgen des § 13 RVG n.F. Angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 4 VV) wird die hälftige Geschäftsgebühr nach den alten Gebührenbeträgen.
I. Außergerichtliche Vertretung
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV a.F. |
|
507,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
527,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
100,13 EUR |
|
Gesamt |
|
627,13 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
460,20 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen, 0,75 aus 6.000,00 EUR nach alter Fassung |
|
-253,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
226,70 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
43,07 EUR |
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Gesamt |
|
269,77 EUR |
III. Mahnverfahren/streitiges Verfahren
Beispiel
Der Anwalt war im Juni nach einem Streitwert von 5.000,00 EUR im Mahnverfahren tätig. Hiernach kam es dann im August zum Rechtsstreit.
Anzurechnen ist die 1,0-Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens (Anm. zu Nr. 3305 VV), allerdings lediglich nach den Gebührenbeträgen des alten Rechts.
I. Mahnverfahren
1. |
1,0-Verfahrensgebühr Nr. 3305 VV |
|
301,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
321,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV |
|
60,99 EUR |
|
Gesamt |
|
361,99 EUR |
II. Streitiges Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, 3100 VV |
|
393,90 EUR |
2. |
gem. Anm. zu Nr. 3305 VV anzurechnen, 1,0 aus 5.000,00 EUR nach alter Fassung |
|
-301,00 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
363,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
476,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
90,54 EUR |
|
Gesamt |
|
567,04 EUR |
IV. Verfahren vor und nach Zurückverweisung
Beispiel
Der Anwalt war vor dem 1.8.2013 in einem Rechtsstreit beauftragt (Wert 10.000,00 EUR). Das Berufungsgericht hatte das Urteil der ersten Instanz im August 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen.
Nach § 21 Abs. 1 RVG ist das Verfahren nach Zurückverweisung eine neue Angelegenheit, sodass sich die Gebühren hier jetzt nach neuem Recht richten. Anzurechnen ist allerdings nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV die Verfahrensgebühr des vorangegangenen Rechtsstreits, allerdings nach den geringeren Werten.
I. Verfahren vor Zurückverweisung
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, 3100 VV |
|
631,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
583,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.235,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
234,65 EUR |
|
Gesamt |
|
1.469,65 EUR |
II. Verfahren nach Zurückverweisung
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, 3100 VV |
|
725,40 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 6 VV anzurechnen, 1,3 aus 10.000,00 EUR nach alter Fassung |
|
-631,80 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
669,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
783,20 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
148,81 EUR |
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Gesamt |
|
932,01 EUR |
V. Alte Wertbeträge liegen höher
Möglich ist, dass die Wertgebühren nach altem Recht höher liegen, als sie sich nach neuem Recht ergeben. Dies gilt allerdings nur für Werte zwischen 900,00 EUR und 1.000,00 EUR.
Beispiel
Der Anwalt war im Juni 2013 mit der Durchführung eines selbstständigen...