RVG a.F. § 17 Nr. 1 RVG n.F. § 17 Nr. 1a
Leitsatz
- Bei dem Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 3 SGG handelt es sich im Verhältnis zum Verwaltungs- und Nachprüfungsverfahren um "verschiedene Angelegenheiten" i.S.d. § 15 RVG.
- Erstattungsfähig ist nach § 63 SGB X jedoch ausschließlich die anwaltliche Vergütung, die für das isolierte Vorverfahren anfällt, da die Kosten für eine anwaltliche Vertretung im Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts durch die Behörde nicht zu den Kosten des durch den Widerspruch gegen diesen Verwaltungsakt ausgelösten Vorverfahrens gehören.
BSG, Urt. v. 14.2.2013 – B 14 AS 62/12 R
1 Sachverhalt
Die Klägerin, ihr Ehemann und ihre beiden gemeinsamen Söhne hatten von der beklagten Behörde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen. Der Beklagte erließ später einen Bescheid, mit dem sie die Kosten der Unterkunft auf die nach ihrer Auffassung angemessene beschränkte und die die laufende Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend abänderte.
Der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt legte dagegen Widerspruch ein und forderte den Beklagten auf, die Kürzung der Leistungen umgehend zurückzunehmen. Darüber hinaus stellte er bei der Behörde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Der Beklagte half dem Widerspruch ab und entschied, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag erstattet werden, soweit sie notwendig und nachgewiesen seien. Dies gelte auch für die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes.
Die Klägerin beantragte sodann die Erstattung der ihr entstandenen Rechtsanwaltsvergütung sowohl für das Widerspruchsverfahren ab als auch für das Verfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Die Behörde setzte nur die Kosten des Widerspruchsverfahrens überwiegend fest. Die Festsetzung der Kosten des Verfahrens auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte die Behörde ab.
Mit ihrer zum SG gerichteten Klage begehrt die Klägerin u.a. die Erstattung der im Verfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung entstandenen Kosten.
Das SG hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Insoweit waren die Vorinstanzen davon ausgegangen, neben dem Widerspruchsverfahren sei gar keine gesonderte Vergütung für das Verfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung angefallen.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung höherer Aufwendungen für die Kosten des (isolierten) Widerspruchsverfahrens nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X als mit dem Kostenfestsetzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides festgesetzt.
Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn – was der Beklagte hier entschieden hat – die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier der Klägerin, in Rechnung stellt. …
… Auch die (zulässig gewordene) Klage gegen die in den Bescheiden des Beklagten getroffene Entscheidung ist unbegründet. … Die geltend gemachten Kosten für die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsverfahren nach § 86a Abs. 3 SGG gehören von vornherein nicht zu den Kosten des Vorverfahrens i.S.d. § 63 Abs. 1 SGB X, sodass es auch für den Fall des Erfolges eines solchen Antrages an einer Rechtsgrundlage für die Erstattung durch die Behörde fehlt.
Erstattungsfähig nach § 63 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB X ist, wie bereits der Normtext und die systematische Stellung im Gesetz – nämlich im Fünften Abschnitt (Rechtsbehelfsverfahren) des Ersten Kapitels (Verwaltungsverfahren) des SGB X – deutlich machen, ausschließlich die anwaltliche Vergütung, die für das isolierte Vorverfahren anfällt. Die Möglichkeit der Kostenerstattung nach § 63 SGB X korrespondiert insoweit mit der Kostenregelung für ein gegebenenfalls nachfolgendes gerichtliches Verfahren in § 193 Abs. 2 SGG, wonach die notwendigen Aufwendungen eines für die sozialgerichtliche Klage gem. § 78 SGG zwingend vorgeschriebenen Vorverfahrens zu den zu erstattenden Kosten gehören (grundlegend dazu bereits BSG SozR 1500 § 193 Nr. 3). War der Widerspruchsführer schon mit seinem Widerspruch erfolgreich und erübrigt sich eine Anrufung des Gerichts, besteht deshalb die Möglichkeit der Kostenerstattung nach § 63 SGB X (BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr. 12 Rn 15). Die Aufwendungen für ein...