RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
Ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist nach neuem Recht (VersAusglG), wenn beide Beteiligte Versorgungsanwartschaften erworben haben, immer wechselseitig, da ein Hin-und-Her-Ausgleich der jeweiligen Anrechte vorzunehmen ist. Den mitwirkenden Rechtsanwälten steht daher eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV zu.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.11.2012 – II-10 WF 15/12
1 Aus den Gründen
Das AG hat die Festsetzung einer Einigungsgebühr zu Unrecht abgelehnt.
Nach Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 VV entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Die Frage, ob und wann bei einem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Einigungsgebühr anfällt, wurde in der Rspr. der Oberlandesgerichte für den bis 31.8.2009 gültigen Rechtszustand unterschiedlich beantwortet. Der Senat hat das Anfallen einer Einigungsgebühr auf Grundlage der bisherigen Rechtslage verneint, sofern im Zeitpunkt des Verzichts auf den Versorgungsausgleich aufgrund der eingeholten Auskünfte der Versorgungsträger bereits feststand, wem und in welcher Höhe ein Ausgleichsanspruch zustand (vgl. Senat, Beschl. v. 17.5.2011 – II-10 WF 2/11). Vorliegend wurde die Vereinbarung der Parteien, mit der diese auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben, im Termin als Vergleich protokolliert. Zum Zeitpunkt des Termins lagen die Auskünfte der Versorgungsträger dem Gericht und den Parteien vor. Danach wäre nach der bisherigen Rspr. des Senats die Einigungsgebühr nicht festsetzbar.
Jedoch ist die zum früheren Rechtszustand vertretene Auffassung unter Geltung des neuen Rechts nicht aufrecht zu erhalten. Denn nach bisherigem Recht stellte sich der Ausgleichsanspruch als Ergebnis der Bilanzierung der wechselseitigen Ansprüche dar; ein Verzicht auf die Durchführung war deshalb einseitig. Nach neuem Recht ist dagegen ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, wenn beide Beteiligte – wie hier – Versorgungsanwartschaften erworben haben, immer wechselseitig, da nach den §§ 10 ff. VersAusglG kein "Einmalausgleich", sondern ein "Hin- und Herausgleich" der jeweiligen Anrechte vorzunehmen ist; dabei ist jedes Recht einzeln zu betrachten und auszugleichen. Den mitwirkenden Rechtsanwälten steht deshalb die Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 VV zu (so auch OLG Hamm FamRZ 2011, 1974, OLG München, Beschl. v. 12.1.2012 – 11 WF 2265/11 [=AGS 2012, 174]; OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 328 [= AGS 2012, 135]; OLG Oldenburg NJW-RR 2011, 1570; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 922 [= AGS 2010, 424]).
2 Anmerkung
Die Entscheidung des OLG ist zutreffend und entspricht der überwiegenden Auffassung in der Rspr. und der Lit. Eine Einigungsgebühr im Versorgungsausgleich konnte nach damaligem Recht nur in seltenen Ausnahmefällen entstehen. Dies ist anders geworden, nachdem Vereinbarungen der Eheleute über den Versorgungsausgleich seit Inkrafttreten des VersAusglG in größerem Umfang möglich sind.
Wegen der bis zum Inkrafttreten des VersAusglG vorzunehmenden Gesamtsaldierung der auszugleichenden Anrechte konnte die Einigungsgebühr nur selten entstehen, weil der Vertrag zwischen den beteiligten Eheleuten als einseitiger Verzicht angesehen worden war und dies nicht den Tatbestand der Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV erfüllen konnte. Der Hin-und-her-Ausgleich der jeweiligen in der Ehezeit erworbenen Anrechte ermöglicht das Entstehen der Einigungsgebühr. Wird demnach auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet, dann handelt es sich regelmäßig um wechselseitige Verzichtserklärungen, die zur Entstehung der Einigungsgebühr ausreichen.
Der Wert einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich richtet sich nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Auf den korrespondierenden Kapitalwert kommt es beim Abschluss einer Einigung über den Versorgungsausgleich nicht an. Es gilt nicht "worauf", sondern "worüber" sich die beteiligten Eheleute einigen, sodass der für das Verfahren ermittelte Wert (§ 50 Abs. 1 FamGKG) auch für den Wert des Vergleichsgegenstands maßgeblich ist.
Rechtsanwältin u. FAFamR Lotte Thiel, Koblenz
AGS 11/2013, S. 514