1. Aufrechnung der Staatskasse mit Gerichts- bzw. Verfahrenskosten
Die Entscheidung des AG Hamm beschäftigt sich mit der Frage, an welches Gericht sich der Verteidiger wenden muss, wenn er die Wirksamkeit der Aufrechnung der Gerichtskasse mit einer Gerichts- bzw. Verfahrenskostenforderung gegen den ihm von seinem freigesprochenen Mandanten abgetretenen und durch Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 464b StPO) festgestellten Erstattungsanspruch bestreitet und Zahlung des festgesetzten Betrages an sich verlangt. Praktisch wird insoweit eine gerichtliche Entscheidung häufig dann erforderlich, wenn zwischen Staatskasse und Verteidiger Streit darüber besteht, ob zum Zeitpunkt der Aufrechnung der Staatskasse bereits eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder des Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorlag, § 43 S. 2 RVG.
Das AG Hamm hat sich der Auffassung angeschlossen, dass die gerichtliche Überprüfung nicht im Verfahren gem. § 30a EGGVG stattfindet, weil die Aufrechnungserklärung nicht den von § 30a EGGVG geforderten Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG darstellt. Danach wäre zur Überprüfung der Wirksamkeit der Aufrechnung der Gerichtskasse nicht gem. § 30a Abs. 2 S. 1 EGGVG das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die aufrechnende Gerichtskasse ihren Sitz hat, sondern gem. §§ 8 JBeitrO, 66 GKG das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt worden sind, mit denen die Gerichtskasse die Aufrechnung erklärt hat.
Diese Auffassung führt zu nicht unerheblichen Problemen, wenn - wie es in der Praxis häufig vorkommt - die Aufrechnung mit von verschiedenen Gerichten aufgestellten Kostenforderungen erklärt wird. Die Wirksamkeit der Aufrechnung müsste deshalb vom Verteidiger bei verschiedenen Gerichten angefochten werden. Der Entscheidung kann deshalb nicht zugestimmt werden. Schon im Interesse der Konzentration der Beurteilung der mit § 43 RVG verbundenen Rechtsfragen ist es zweckmäßig und sachgerecht, das Amtsgericht am Sitz der aufrechnenden Gerichtskasse als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Zudem sprechen auch folgende Überlegungen gegen die Entscheidung des AG Hamm: Der von den Gerichten bzw. der Staatsanwaltschaft vorgenommene und die Grundlage für die Aufrechnungserklärung der Gerichtskasse bildende Kostenansatz (vgl. § 19 GKG) stellt einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG dar. Abzustellen ist daher im Rahmen von § 30a EGGVG nicht auf die Aufrechnungserklärung, sondern auf den die Grundlage für die Aufrechnung bildenden Kostenansatz. Deshalb geht die h. M. zutreffend davon aus, dass sich das Verfahren nach § 30a EGGVG richtet.
2. Entscheidung eines Zuständigkeitsstreits
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Aufrechnung, so dürfte das gemeinschaftliche obere Gericht berufen sein, das zuständige Gericht zu bestimmen.
3. Aufrechnung der Staatskasse mit einer Geldstrafe
Rechnet die Staatskasse mit einer Geldstrafe gegen den an den Verteidiger abgetretenen Erstattungsanspruch auf, ist die Zuständigkeitsfrage höchstrichterlich geklärt. Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Aufrechnung dann nach § 462a Abs. 2 S. 1 StPO. Zuständig ist somit das Gericht des ersten Rechtszuges. Entscheidend für die Zuständigkeit dieses Gerichts ist, dass mit der Aufrechnung hinsichtlich der Geldstrafe Strafe vollstreckt wird. Die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gilt im Übrigen auch dann, wenn zusammen mit der Geldstrafe Verfahrenskosten vollstreckt werden. Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs entfällt aber dann, wenn die Geldstrafe getilgt ist und Aufrechnung nur wegen der Verfahrenskosten erklärt wird (vgl. § 15 Einforderungs- und Beitreibungsanordnung – EBAO: Lösung von Geldstrafe und Kosten). Das Verfahren und das zuständige Gericht ergeben sich dann aus § 30a EGGVG.
Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert, Willich
AGS 11/2013, S. 522 - 524