EGGVG § 30a

Leitsatz

Die Wirksamkeit einer Aufrechnung von Rechtsanwaltsgebühren mit einem abgetretenen Erstattungsanspruch des Beschuldigten kann nicht mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 30a EGGVG überprüft werden.

AG Hamm, Beschl. v. 10.6.2013 – 18 AR 26/13

1 Sachverhalt

Der Beteiligte zu 1) hat einen Verurteilten in einem Beschwerdeverfahren vor dem OLG Hamm vertreten und sich die eventuellen Kostenerstattungsansprüche des Beschuldigten in seiner Vollmacht formularmäßig abtreten lassen. Die notwendigen Auslagen des Verurteilten für das Beschwerdeverfahren sind durch den Beschluss des OLG der Staatskasse auferlegt worden. Auf Antrag sind die dem Verurteilten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 811,34 EUR unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen festgesetzt worden. Dieser Beschluss ist von keiner Seite angefochten worden. Hiernach hat Oberjustizkasse die Aufrechnung erklärt mit einer Kostenforderung i.H.v. 3.619,22 EUR. Dagegen richtet sich der Antrag des Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung.

2 Aus den Gründen

Der Antrag ist unzulässig.

Verwaltungsakte im Bereich der Kostengesetze können mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 30a EGGVG nur angefochten werden, wenn eine Anfechtung nach sonstigen Vorschriften nicht möglich ist (§ 30a Abs. 1 S. 1 EGGVG a.E.). § 30a EGGVG ist eine Auffang-Generalklausel, wenn eine Anfechtung nach vorrangigen Spezialvorschriften nicht möglich ist (vgl. Zöller-Lückemann, ZPO, 28.A., § 30a EGGVG, Rn 1).

§ 30a EGGVG erfordert einen Verwaltungsakt im Bereich der Kostengesetze. Die Aufrechnungserklärung ist die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts und stellt keinen Verwaltungsakt dar (vgl. BVerwG NJW 1983, 776). Die Erklärung der Aufrechnung kann sowohl vom Bürger als auch von der Behörde erklärt werden und erfolgt damit nicht aus einer hoheitlichen Position. § 30a EGGVG ist daher unanwendbar (Hartmann, KostG, a.a.O., § 30a EGGVG, Rn 4, Stichwort: Aufrechnung; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, 18. A., 2010, KostO, § 30a EGGVG, Rn 9; AG Hamm, Beschl. v. 7.4.2011 – 18 AR 18/11; AG Hamm, Beschl. v. 22.12.2011 – 18 AR 51/11; AG Hamm, Beschl. v. 5.9.2012 – 18 AR 34/12).

Zugunsten des Verurteilten besteht auch bereits ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel in Form des Kostenfestsetzungsbeschlusses. Auf die Vollstreckung finden die Vorschriften der ZPO Anwendung (§ 464b S. 3 StPO, § 767 ZPO). Eine Ausfertigung des rechtskräftigen Vollstreckungstitels für den Beteiligten zu 1) oder Umschreibung auf den Beteiligten zu 1) ist nicht erfolgt.

Auf die Frage Wirksamkeit einer Abtretung von Kostenerstattungsansprüchen in einer Vollmacht (vgl. LG Düsseldorf, Beschl. v. 19.7.2005 – X Qs 92/05; LG Koblenz, Beschl. v. 1.7.2008 – 2 Qs 27/08) kommt es daher im vorliegenden Verfahren nicht an.

3 Anmerkung

1. Aufrechnung der Staatskasse mit Gerichts- bzw. Verfahrenskosten

Die Entscheidung des AG Hamm beschäftigt sich mit der Frage, an welches Gericht sich der Verteidiger wenden muss, wenn er die Wirksamkeit der Aufrechnung der Gerichtskasse mit einer Gerichts- bzw. Verfahrenskostenforderung gegen den ihm von seinem freigesprochenen Mandanten abgetretenen und durch Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 464b StPO) festgestellten Erstattungsanspruch bestreitet und Zahlung des festgesetzten Betrages an sich verlangt. Praktisch wird insoweit eine gerichtliche Entscheidung häufig dann erforderlich, wenn zwischen Staatskasse und Verteidiger Streit darüber besteht, ob zum Zeitpunkt der Aufrechnung der Staatskasse bereits eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder des Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorlag, § 43 S. 2 RVG.[1]

Das AG Hamm hat sich der Auffassung angeschlossen, dass die gerichtliche Überprüfung nicht im Verfahren gem. § 30a EGGVG stattfindet, weil die Aufrechnungserklärung nicht den von § 30a EGGVG geforderten Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG darstellt.[2] Danach wäre zur Überprüfung der Wirksamkeit der Aufrechnung der Gerichtskasse nicht gem. § 30a Abs. 2 S. 1 EGGVG das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die aufrechnende Gerichtskasse ihren Sitz hat, sondern gem. §§ 8 JBeitrO, 66 GKG das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt worden sind, mit denen die Gerichtskasse die Aufrechnung erklärt hat.

Diese Auffassung führt zu nicht unerheblichen Problemen, wenn - wie es in der Praxis häufig vorkommt - die Aufrechnung mit von verschiedenen Gerichten aufgestellten Kostenforderungen erklärt wird. Die Wirksamkeit der Aufrechnung müsste deshalb vom Verteidiger bei verschiedenen Gerichten angefochten werden. Der Entscheidung kann deshalb nicht zugestimmt werden. Schon im Interesse der Konzentration der Beurteilung der mit § 43 RVG verbundenen Rechtsfragen ist es zweckmäßig und sachgerecht, das Amtsgericht am Sitz der aufrechnenden Gerichtskasse als zuständiges Gericht zu bestimmen.[3]

Zudem sprechen auch folgende Überlegungen gegen die Entscheidung des AG Hamm: Der von den Gerichten bzw. der Staatsanwaltschaft vorgenommene und die Grundlage für die Aufrechnungserklärung ...

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