BGB § 280 RVG VV Nr. 3403
Leitsatz
- Muss der frühere Auftraggeber nach Kündigung des Mandats einen anderen Anwalt mit der Berichtigung eines Protokolls und eines dort geschlossenen Vergleichs beauftragen, so kann er von dem früheren Anwalt Schadensersatz der hierfür aufgewandten weiteren Anwaltskosten verlangen.
- Für einen Antrag auf Protokollberichtigung entsteht dem ausschließlich hiermit befassten Anwalt eine 0,8-Verfahrensgebühr als Einzeltätigkeit gem. Nr. 3403 VV.
LG Freiburg, Urt. v. 3.9.2013 – 9 S 21/13
1 Sachverhalt
Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für die Berichtigung eines gerichtlichen Vergleichs geltend, der im Rahmen eines früheren Mandats der Klägerin an den Beklagten im Rechtsstreit AG Freiburg abgeschlossen worden war.
Sie trägt vor, in dem geschlossenen Vergleich seien die Parteirollen vertauscht worden; zudem sei der Regelung des Geschiedenenunterhalts in § 4 Zahlungspflichtiger und Zahlungsempfänger nicht genannt. Aus dem Titel selbst sei daher der objektiv richtige Vergleichsinhalt nicht bestimmbar.
Der Mangel habe sich erst nach Kündigung des Mandats herausgestellt. Sie habe daraufhin einen anderen Anwalt mit der Berichtigung des Vergleichs beauftragen müssen. Insoweit sei eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV angefallen, die ihr der Beklagte zu erstatten habe.
Das AG hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten aus einem – inzwischen beendeten – familienrechtlichen Anwalts-Dienstvertrag gem. §§ 611, 675, 275 Abs. 1, 4, 280 Abs. 1, 283 BGB.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB, da er infolge Beendigung des Mandats endgültig entstanden und durch Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 280 Rn 18, § 281 Rn 2): Die Klägerin hatte den Beklagten mit der anwaltlichen Vertretung im Familiengerichtsverfahren AG Freiburg sowie verschiedener Folgeverfahren beauftragt, das Mandat jedoch gem. §§ 626, 627 BGB im Zuge der Streitigkeiten über die Honorarforderung des Beklagten gekündigt.
Der Beklagte hat seine anwaltlichen Pflichten dadurch verletzt, dass der gerichtliche Vergleich im Verfahren AG Freiburg in einer nicht dem Willen der Parteien entsprechenden und teilweise nicht vollstreckbaren Formulierung geschlossen wurde. Zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts gehört es, beim Vergleichsschluss für eine richtige, vollständige und eindeutige Niederlegung des Willens seines Mandaten zu sorgen (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn 72). Diesen Anforderungen wird die Formulierung des genannten Vergleichs nicht gerecht, da die Parteirollen vertauscht und bei der Regelung des Geschiedenenunterhalts in § 4 Zahlungspflichtiger und Zahlungsempfänger nicht genannt sind. Aus dem Titel selbst ist der objektiv richtige Vergleichsinhalt nicht bestimmbar. Dabei ist es unerheblich, dass im Rahmen einer richterlichen Auslegung des Vergleichs gem. §§ 133, 157 BGB der tatsächliche Wille der Parteien bestimmbar wäre, da es für die Erforderlichkeit der Berichtigung im vorliegenden Fall auf die Geeignetheit des Vergleichs als Vollstreckungstitel ankommt. Inhalt und Umfang der materiellrechtlichen Wirkung eines Vergleichs einerseits, für die der tatsächliche übereinstimmende Wille der Parteien maßgeblich ist, und seiner Reichweite als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen (BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 234/91; OLG Hamm, Urt. v. 5.4.2005 – 21 U 149/04). Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist ein Prozessvergleich nur insoweit, als er einen aus sich heraus genügend bestimmten oder bestimmbaren Inhalt hat (BGH a.a.O.). Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der Gerichtsvollzieher nur den Vergleichstext, nicht aber den übrigen Akteninhalt des Erkenntnisverfahrens kennt. Die Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel, zu der der Gerichtsvollzieher bei Unklarheiten verpflichtet ist, kann demnach nur insoweit erfolgen, als sich die objektive Bedeutung aus dem Titel selbst oder aus offenkundigen Umständen ergibt. Nicht ausreichend ist eine Bezugnahme auf Urkunden, die nicht Bestandteil des Titels sind oder sich die Leistung nur durch Rückgriff auf den Inhalt anderer Schriftstücke ermitteln lässt (BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – VII ZB 2/12; Beschl. v. 11.9.2007 – XII ZB 177/04). Im vorliegenden Fall bietet der Vergleichstext bereits aufgrund der Vielzahl der fehlerhaften Parteibezeichnungen keinen gesicherten Ausgangspunkt für eine Auslegung des Inhalts als Vollstreckungstitel. Aus dem Titel heraus ist auch nicht erkennbar, ob die Fehlerhaftigkeit auf einer Vertauschung der Parteirollen oder des Geschlechts der Parteien beruht. Auch das Rubrum des Vergleichs hilft vorliegend nicht weiter, da gem. §§ 1, 2 der Verfahrensgegenstand eines anderen Verfahrens (Getrenntlebendenunterhalt), das beim AG Freiburg mit entgegengesetzte...