Bei kaum einem anderen Gebührentatbestand steht der Umfang der Rechtsprechung und der rechtlichen Probleme in einem solch krassen Missverhältnis zum Ertrag wie bei der Aktenversendungspauschale der Nr. 9003 GKG-KostVerz. = Nr. 9002 GKG-KostVerz. a.F. (gleichlautend Nr. 2002 FamGKG-KostVerz. u. Nr. 31003 GNotKG-KostVerz.). Für derzeit ganze 12,00 EUR wurde bislang (gefühlt) ein halber Regenwald für das gesamte Papier der hierzu ergangenen Beschlüsse abgeholzt. Selbst oberste Bundesgerichte mussten sich wiederholt mit der Aktenversendungspauschale befassen. Sogar das BVerfG wurde bereits mehrfach angerufen. Wer gedacht hatte, nach der Umsatzsteuerentscheidung des BGH (AGS 2011, 262) seien alle Fragen geklärt und es würde Ruhe einkehren, sah sich getäuscht, wie die jetzt ergangene Entscheidung des OLG Köln (S. 513 in diesem Heft) belegt.
Manch älterer Kollege und Kanzleimitarbeiter denkt noch an die guten alten Zeiten zurück, in denen es diese Aktenversendungspauschale nicht gab und man Akten kostenlos vom Gericht erhielt und nach Einsicht einfach wieder zurückschicken konnte. Da aufgrund der Vielzahl der Aktenversendungen offenbar der Bankrott der Justiz drohte, hatte man dann zum 1.7.1994 einen Auslagentatbestand in Höhe von zunächst 15,00 DM, heute 12,00 EUR, für das Versenden einer Akte eingeführt.
Findige Anwälte kamen dann auf die Idee, dass die Aktenversendungspauschale auch die Aktenrücksendung umfasse und sandten die Akten unfrei zurück. Hier wurde dann aber festgestellt, dass die Aktenversendungspauschale nur das Versenden an den Anwalt erfasse und dass dieser die Akten auf eigene Kosten zurücksenden müsse.
Für den Anwalt stellte sich sodann die Frage, ob er die 12,00 EUR mit seinem Mandanten abrechnen könne. Einige Gerichte waren der Auffassung, die Aktenversendungspauschale sei durch die Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV (früher § 26 BRAGO) abgedeckt (so heute offenbar noch das LG Leipzig RVGreport 2010, 182).
Auch wurde von den Gerichten versucht, die Aktenversendungspauschale je Akte und nicht je Sendung zu erheben, so dass bei einer Versendung von mehreren Akten in demselben Paket die Pauschale für jede Akte gesondert erhoben wurde.
Irgendwann kam dann ein findiger Finanzbeamter auf den Trichter, dass das Weiterberechnen der Aktenversendungspauschale der Umsatzsteuer unterliege und die Aktenversendungspauschale also nicht, wie verauslagte Gerichtskosten, einfach abgerechnet werden könne, sondern in die Rechnung des Anwalts bei den Nettoauslagen mit aufgenommen werden müsse und darauf dann Umsatzsteuer zu erheben sei. Dies rief wiederum die Rechtsschutzversicherer auf den Plan, die nicht bereit waren, die 2,28 EUR Umsatzsteuer zu zahlen und sich reihenweise auf diesen Minimalbetrag verklagen ließen. Hier hat der BGH (AGS 2011, 262) schließlich ein Machtwort gesprochen und klargestellt, dass die Aktenversendungspauschale der Umsatzsteuer unterliege, so dass seitdem an dieser Front Ruhe eingekehrt ist, obwohl viele Anwälte nach wie vor die Pauschale ohne Umsatzsteuer abrechnen.
Gestritten wird dagegen nach wie vor über die Erstattungsfähigkeit der Aktenversendungspauschale. So ist das AG Köln trotz gegenteiliger gerichtlicher Entscheidungen nach wie vor der Auffassung, ein Betroffener oder ein Beschuldigter, dem eine Ordnungswidrigkeit, ein Vergehen oder ein Verbrechen in Köln vorgeworfen wird, sich auch einen Kölner Verteidiger suchen müsse, der über ein Gerichtsfach verfügt, weil anderenfalls durch die Aktenversendung im Falle eines Freispruchs unnötige 12,00 EUR Kosten ausgelöst werden.
Ein weiterer Streit, der von Anfang an schwelte, beinhaltet die Frage, ob die Aktenversendungspauschale auch dann erhoben werden darf, wenn die Akte dem Anwalt ins Gerichtsfach gelegt wird. Viele Gerichte waren der Auffassung, die Aktenversendungspauschale, die ja eigentlich als Auslagentatbestand in Teil 9 des GKG-KostVerz. geregelt ist, sei in Wirklichkeit eine Gebühr und könne für jede Aktenversendung berechnet werden, selbst wenn die Akten in das Gerichtsfach gelegt werden. Immerhin würde dadurch dem Gericht ja ein erheblicher Aufwand entstehen, der abzugelten sei.
Der Gesetzgeber war mit dieser Praxis nicht einverstanden und hatte zum 1.8.2013 den Tatbestand der Nr. 9003 GKG-KostVerz. geändert und klargestellt, dass die Aktenversendungspauschale nur dann erhoben werden darf, wenn Auslagen an Transport und Verpackung anfallen. In seiner Begründung spricht er davon, dass "bare Auslagen" angefallen sein müssen. Die Praxis hat dies zunächst einmal – wie zu erwarten war – nicht interessiert. Die gegenteilige Entscheidung des OLG Koblenz (AnwBl 2014, 657) wurde jeweils als nicht einschlägig abgetan. Zwischenzeitlich hat das OLG Köln (S. 513 in diesem Heft) in einem langen Beschluss bestätigt, dass das Gesetz anzuwenden ist und dass der Gesetzgeber genau das meint, was er auch ins Gesetz geschrieben hat, nämlich dass eine Aktenversendung über das Gerichtsfach keine Aktenversendungspauschale auslöst.
Es darf mit Spannung ...