Leitsatz
Die Reisekosten des zwar nicht am Ort, aber im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts sind bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs erstattungsfähig.
AG Gießen, Beschl. v. 22.9.2014 – 47 C 329/12
1 Aus den Gründen
Die Erinnerung ist gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG zulässig.
Auch in der Sache hat sie Erfolg.
In dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss wurden die Reisekosten der Beklagtenvertreterin in Höhe von insgesamt 69,00 EUR mit der Begründung abgesetzt, dass im Falle einer Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Sitz am Gerichtsort keine Reisekosten angefallen wären. In der Nichtabhilfeentscheidung wird dazu weiter ausgeführt, es entspreche std. höchstrichterlicher Rspr., dass die Reisekosten eines auswärtigen Anwalts grundsätzlich nicht erstattungsfähig seien bzw. deren Notwendigkeit darzulegen sei. Gleiches gelte aus Gründen der Gleichbehandlung auch für die Reisekosten eines zwar im Gerichtsbezirk, aber nicht am Gerichtsort niedergelassenen oder wohnenden Rechtsanwalts – jedenfalls dann, wenn die von ihm vertretene Partei am Gerichtsort wohnt.
Diese Auffassung wird im Schrifttum teilweise vertreten (vgl. etwa Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 91 Rn 65). Sie überzeugt indes nicht.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO. Danach sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei von der unterlegenen Partei zu erstatten. Gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt dies für Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Diese gesetzliche Einschränkung findet vorliegend keine Anwendung. Die Beschwerdeführerin ist nämlich im Bezirk des Prozessgerichts in … niedergelassen. Hätte der Gesetzgeber auch insoweit eine Gleichbehandlung mit dem in § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 geregelten Fall herbeiführen wollen (wie dies Schulz, a.a.O., zu wissen meint), wäre es ihm unbenommen gewesen, gerade dies in das Gesetz hineinzuschreiben. Ein solcher mutmaßlicher Wille des Gesetzgebers hat aber im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Daher gilt, dass die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der zwar nicht am Gerichtsort, aber im Gerichtsbezirk niedergelassen ist, grundsätzlich immer zu erstatten sind (so auch Herget, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 91 Rn 13 "Reisekosten" m.w.Nachw., Jaspersen/Wache, in: BeckOK ZPO, Stand 15.6.2014, § 91 Rn 168). Die Grenze bildet der Rechtsmissbrauch (vgl. Jaspersen/Wache, a.a.O.).
2 Anmerkung
Die Entscheidung entspricht einhellige Rechtsprechung:
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LG Krefeld, Beschl. v. 30.11.2010 – 5 O 384/09, |
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VG Würzburg, Beschl. v. 23.1.2009 – W 4 M 08.1340, |
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AG Limburg, Beschl. v. 20.12.2012 – 4 C 406/12 (11), |
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LG Gera, Beschl. v. 5.6.2013 – 2 O 1640/11, |
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AG Siegburg, Beschl. v. 13.11.2012 – 103 C 64/12, |
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LG Krefeld, Beschl. v. 26.3.2014 – 2 O 294/13. |
Norbert Schneider
AGS 11/2014, S. 544