Leitsatz
Der Gegenstandswert in einem Verfahren auf Ablehnung eines Richters bestimmt sich nach dem Streitwert des zugrunde liegenden Verfahrens.
OLG Hamm, Beschl. v. 28.7.2015 – 32 W 9/15
1 Aus den Gründen
Die Gegenvorstellung gibt keine Veranlassung zur Abänderung des Streitwertes. Wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt, bemisst sich der Streitwert nach ständiger Rspr. des OLG Hamm für ein Ablehnungsgesuch gegen Richter nach dem Wert des zugrunde liegenden Rechtsstreits.
Der Senat folgt insoweit der Rspr. des BGH (IX ZB 60/06, MDR 2007, 669; IV ZB 3/68, NJW 1968, 796) und dem überwiegenden Teil der neueren obergerichtlichen Rspr. (OLG Naumburg – 8 WF 201/12; OLG Rostock – 3 W 160/11; OLG Bremen – 4 WF 156/10, MDR 2011, 1134 [= AGS 2011, 513]; OLG Düsseldorf – 10 W 190/07, MDR 2008, 1067 [= AGS 2008, 499]; OLG Frankfurt – 4 W 93/06, MDR 2007, 674; OLG Bamberg – 8 W 79/99, BauR 2000, 773; OLG Brandenburg – 1 W 9/99, OLGR 1999, 469; Münchener Kommentar-Wöstmann, ZPO, 4. Aufl., § 3 Rn 110; Hartmann, KostG, 45. Aufl., Anh I § 48 GKG (§ 3 ZPO) "Ablehnung des Richters").
In der Sache hat der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 17.1.1968 (a.a.O.) überzeugend ausgeführt, dass die Zwischenentscheidung über die Richterablehnung aus Sicht einer Partei keine geringere Bedeutung als die Entscheidung in der Hauptsache hat. Der Richter wird in der Befürchtung abgelehnt, er werde infolge seiner Befangenheit in der Hauptsache zum Nachteil der Partei entscheiden. Das Interesse der ablehnenden Partei an seiner Nichtmitwirkung deckt sich daher regelmäßig mit ihrem Interesse am Ausgang des Rechtsstreits (BGH a.a.O.).
Denn im Verfahren über die Begründetheit eines Ablehnungsgesuchs ist darüber zu befinden, ob der Richter am gesamten Verfahren und der Entscheidung über den prozessualen Anspruch mitwirken darf. Im Falle einer erfolgreichen Ablehnung ist er vom Richteramt für den gesamten Rechtsstreit ausgeschlossen, so dass das Interesse der ablehnenden Partei an ihrem Gesuch ihrem Interesse in der Hauptsache entspricht (OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.1.2006 – 4 W 33/05, MDR 2006, 1079). Etwas anderes gilt etwa für die Ablehnung eines Sachverständigen, weil dieser dem Gericht lediglich als Entscheidungshilfe dient und damit für den Prozess eine gegenüber dem Gericht nur eingeschränkte Bedeutung hat (OLG Frankfurt a.a.O.).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht gerechtfertigt, den Wert des Beschwerdeverfahrens über eine Richterablehnung nur mit einem Bruchteil des Streitwertes in der Hauptsache zu bemessen, weil es bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch lediglich um die Besorgnis der mangelnden Neutralität und eine mögliche Verletzung des Grundrechts aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gehe. Zwar ist im Ablehnungsverfahren nicht der gesamte Streitstoff des Rechtsstreits zu beurteilen. Bei der Frage nach dem gesetzlichen Richter i.S.v. Art. 101 GG geht es aber – wie die Klägervertreter zu Recht ausgeführt haben – um eine mögliche Verletzung des Grundgesetzes und damit um die elementaren Grundlagen eines ordnungsgemäßen Verfahrens, nämlich die Besetzung des Gerichts durch unbefangene Richter.
Schließlich hat das OLG Frankfurt zu Recht ausgeführt, dass die Beschränkung des Streitstoffes im Ablehnungsverfahren auf einen Teilaspekt vom Gesetzgeber im Gebührenrecht für das Beschwerdeverfahren (Festgebühr nach GKG und 0,5fache Verfahrensgebühr nach RVG) bereits hinreichend berücksichtigt wurde. Eine Reduzierung des Wertes des Beschwerdeverfahrens unter den Streitwert der Hauptsache ist daher nicht geboten (OLG Frankfurt a.a.O.).
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist nur im Ergebnis zutreffend. Die Gerichte verkennen – wie hier –, dass im Falle einer Richterablehnung und der betreffenden Beschwerdeverfahren keine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG zu erfolgen hat, da weder im Ablehnungsverfahren noch im Beschwerdeverfahren wertabhängige Gerichtsgebühren erhoben werden, sondern lediglich im Beschwerdeverfahren Festgebühren (Nr. 1812 GKG-KostVerz.). Mangels einer wertabhängigen Gerichtsgebühr ist eine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG daher unzulässig. Eine Wertfestsetzung ist lediglich für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren vorzunehmen und das auch nur auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG. Der Wert richtet sich hier im Beschwerdeverfahren nach § 23 Abs. 2 S. 1 RVG. Insoweit ist allerdings zutreffender Weise der volle Hauptsachewert anzusetzen.
Norbert Schneider
AGS 11/2015, S. 522 - 523