Die Beklagte hat im Anwaltsprozess gem. § 121 Abs. 1 ZPO einen Anspruch darauf, dass ihr ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beigeordnet wird. Auch die bedürftige Partei soll von einem Anwalt vertreten werden, zu dem sie uneingeschränktes Vertrauen hat. Die Beklagte hat sich deshalb für den ihr antragsgemäß beigeordneten Anwalt entschieden.
§ 121 Abs. 3 ZPO sieht zwar vor, dass ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Anwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Hierdurch sollen hohe Reisekosten des beigeordneten Anwalts vermieden werden, die möglicherweise einmal zu Lasten der Staatskasse gehen.
Dieser Grundsatz muss aber dann eine Einschränkung erfahren, wenn besondere Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen, die die Beiordnung eines Verkehrsanwalts zulassen. Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO sind gegeben, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig sind.
Im vorliegenden Fall ist der Prozessstoff aus den oben genannten Gründen umfangreich und kompliziert. Aus diesem Grund ist zur Vorbereitung der Rechtsverteidigung ein persönliches Gespräch zwischen der Beklagten und dem ihr beigeordneten Anwalt ihres Vertrauens in dessen Kanzlei notwendig gewesen. Hätte die Beklagte einen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, der seinen Kanzleisitz im Bezirk des LG München II hat, dann wäre ihre eine Reise zu diesem Anwalt zu bewilligen gewesen, um das erforderliche persönliche Gespräch führen zu können. Im Hinblick darauf, dass die einfache Wegstrecke mehr als 600 km betragen hätte, wären für eine solche Reise auch erhebliche Kosten entstanden.
Der Umstand, dass der Verkehrsanwalt in der Regel nicht die Vertretung der Partei im Prozess wahrnimmt, sondern zusammen mit der Partei für den Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts den Prozessstoff aufbereitet (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rn 13, Stichwort: "Verkehrsanwalt" und Geimer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rn 20 zu § 121 ZPO), kann nicht dazu führen, dass im vorliegenden Fall dem beigeordneten Anwalt nicht eine weitere Entschädigung zugebilligt wird, die den Kosten entspricht, die bei der Beiordnung eines Verkehrsanwalts entstanden wären.
Diese Überlegung hat auch das OLG Celle in seinem Beschl. v. 20.4.2012 – 10 WF 129/12 angestellt, wobei es zur Kompensation der Mehrkosten, die durch die Beiordnung eines bezirksfremden Anwalts entstehen, Folgendes ausgeführt hat: "Als derartige im Rahmen der Gesamtbetrachtung beachtliche Kosten kommen in Betracht zum einen notwendige Reisekosten des Beteiligten selbst zu einem erforderlichen vorbereitenden Termin mit seinem Anwalt am Ort des Verfahrensgerichts, zum anderen diejenigen Kosten, die bei Vorliegen besonderer Umstände durch die Beiordnung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Beteiligten zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten gem. § 121 Abs. 4 ZPO anfallen können."
Um der bedürftigen Partei die sichere Möglichkeit zu geben, sich von dem Anwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen, sind die Mehrkosten, die bei der Beauftragung eines Verkehrsanwalts angefallen wären, auch dann zu genehmigen, wenn die Reisekosten der Partei zu einem Anwalt am Sitz des Prozessgerichts geringer gewesen wären.
AGS 11/2015, S. 535