Leitsatz
Ein nachträglicher Beratungshilfeantrag ist dann nicht rechtzeitig gestellt worden, wenn nicht binnen der Ausschlussfrist des § 6 Abs. 2 S. 2 BerHG ein Antrag vorliegt, der den wesentlichen Formerfordernissen genügt, und das Formular die wesentlichen Angaben zur Angelegenheit wie auch zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen mit persönlicher Unterschrift und den persönlichen Versicherungen des Antragstellers gem. § 4 Abs. 3 Nr. 1 u. 2 BerHG enthält.
AG Winsen, Beschl. v. 30.7.2015 – 18 II 293/15
1 Sachverhalt
Mit Schreiben v. 11.5.2015 stellte die Verfahrensbevollmächtigte "namens und in Vollmacht" der Antragstellerin einen formlosen schriftlichen Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe wegen eines behauptetermaßen fehlerhaften ALG-II-Bescheids des Jobcenters, wogegen mit einem Widerspruchsverfahren vorzugehen sei. Beigefügt war diesem Antrag eine Kopie eines Bescheides (mehr nicht).
Mit Beschl. v. 15.5.2015 wies der Rechtspfleger den Antrag zurück, "da er nicht unter Verwendung des amtlichen Vordrucks und durch die nicht antragsberechtigte Rechtsanwältin, aber nicht durch deren Mandantin gestellt worden sei; unabhängig davon sei das angekündigte erste Schreiben an das Jobcenter nicht beigefügt und zudem fehlten sämtliche Belege betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin (Einkünfte, Ausgaben, Vermögen) sowie Angaben zu deren familiären Verhältnissen."
Mit Eingang v. 13.7.2015 fragte die Rechtsanwältin nach dem Stand des Erinnerungsverfahrens und musste mit Schreiben v. 22.7.2015 zugestehen, dass die Erinnerungsschrift v. 25.5.2015 nebst Anlagen nicht abgesandt, sondern in die anwaltliche Akte geheftet worden sei. Erst am 22.7.2015 ging sie nebst Anlagen bei Gericht ein.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet.
Gem. § 6 Abs. 2 des BerHG i.d.F. des Gesetzes v. 31.8.2013 kann ein Antrag auf Bewilligung der Beratungshilfe nachträglich gestellt werden, wenn sich der Rechtsuchende wegen Beratungshilfe unmittelbar an eine Beratungsperson wendet; jedoch ist in diesem Fall der Antrag spätestens vier Wochen nach Beginn der Beratungshilfetätigkeit zu stellen. Gem. § 4 Abs. 3 BerHG sind einem Beratungshilfeantrag zwingend beizufügen:
1. eine Erklärung des Rechtsuchenden über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Angaben zu Familienstand, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten, sowie entsprechende Belege und
2. eine Versicherung des Rechtsuchenden, dass ihm in derselben Angelegenheit Beratungshilfe bisher weder gewährt noch durch das Gericht versagt worden ist und dass in derselben Angelegenheit kein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder war.
Hier ist der formlose Beratungshilfeantrag zwar innerhalb von vier Wochen nach Beginn der Beratung eingegangen, hat doch die Beratung ausweislich der nachgereichten Erklärung erstmals am 6.5.2015 stattgefunden.
Auch dürfte es ausreichen, wenn der Antrag – also das Übersendungsschreiben an das Gericht – von einem Rechtsanwalt namens des Antragsstellers gestellt wird.
Allerdings sind jedem Beratungshilfeantrag die in § 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 genannten Erklärungen "des Rechtsuchenden" beizufügen. Das ist zunächst nicht erfolgt. Vielmehr sind diese Unterlagen erst lange nach Ablauf der am 3.6.2015 endenden 4-Wochen-Frist bei Gericht eingegangen, nämlich erst am 22.7.2015. Damit konnte die Frist des § 6 Abs. 2 S. 2 nicht gewahrt werden.
Zu Recht wird im Kommentar zur Beratungshilfe von Schoreit und Dehn (dort § 6 Rn 11) darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck der kurzen Frist des § 6 Abs. 2 S. 2 BerHG ist, den Gerichten die Prüfung lang zurückliegender Sachverhalte zu ersparen. Ferner soll mit der kurzen Frist verhindert werden, dass Mandate nachträglich über Beratungshilfe abgerechnet werden, weil sich die Beitreibung der Gebührenforderung schwierig gestaltet. Durch die Kürze der Frist soll also schnell Rechtssicherheit geschaffen werden (BT-Drucks 17/11472 S. 41). Unter Rn 12 zu § 6 wird weiter zu Recht die Meinung vertreten, dass der innerhalb der Frist des § 6 Abs. 2 S. 2 BerHG einzureichende Antrag den wesentlichen Formerfordernissen (Formularzwang, persönliche Daten, persönliche Unterschrift wie auch persönliche Versicherungen des Antragstellers) genügen und die wesentlichen Angaben zur Angelegenheit sowie auch zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen enthalten müsse. Weil es sich bei der genannten Frist um eine Ausschlussfrist handele (BT-Drucks 17/11472 S. 41) reiche es nicht aus, die nach § 4 Abs. 3 BerHG erforderlichen Erklärungen später nachzureichen, denn sonst würde das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel der Vorschrift, schnell für Rechtssicherheit zu sorgen, verfehlt. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen.
Vorliegend sind die gem. § 4 Abs. 3 BerHG vorgeschriebenen Erklärungen nicht binnen der Ausschlussfrist eingereicht worden, sondern erst lange danach. Deshalb ist der Beratungshilfeantrag zu Recht wegen nicht (fristgerecht) erfolgter Vorlage der vorgeschriebenen Erklärungen zurückgewiesen worden.
Nichts anderes er...