Leitsatz
Der Gegenstandswert wird gem. § 30 Abs. 2 RVG aus Billigkeitsgründen herabgesetzt, weil im Fall der nur auf Durchführung einer Anhörung gerichteten Untätigkeitsklage keine Vergleichbarkeit mit den übrigen Verfahren nach dem AsylVfG gegeben ist.
VG Ansbach, Beschl. v. 7.9.2015 – AN 1 K 15.30313
1 Sachverhalt
Mit Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Klägerbevollmächtigte, die Kosten aus einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR zu berechnen.
Hierauf beantragte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), im vorliegenden Verfahren der Untätigkeitsklage gem. § 30 Abs. 2 RVG einen geringeren Gegenstandswert festzusetzen. Der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Gegenstandswert sei im vorliegenden Verfahren unbillig, weil der Klägervertreter bereits in der Klageschrift nur die Verpflichtung der Beklagten zum weiteren Betreiben des Verfahrens beantragt habe. Der Klägervertreter habe eine Erledigungserklärung für das Hauptsacheverfahren abgegeben, nachdem das Bundesamt einen Termin für die Anhörung bekannt gegeben hatte. Damit habe der Klägervertreter zu verstehen gegeben, dass es lediglich um das Weiterbetreiben des Verfahrens gegangen sei, also um die bloße Durchführung einer Anhörung, und nicht auch um eine Verpflichtung zur Entscheidung über asylrechtliche Ansprüche ("Durchentscheidung").
Daraufhin erklärte der Klägervertreter, mit der Streitwerthalbierung bestehe kein Einverständnis. Das VG Ansbach (Urt. v. 28.1.2015 – AN 1 K 13.31136; Urt. v. 4.8.2014 – AN 11 K 13.30579) sowie das VG Trier (Urt. v. 11.12.2014 – 6 K 1512/14.TR) hätten bei Untätigkeitsklagen generell einen Streitwert von 5.000,00 EUR festgesetzt. Daraufhin legte das Bundesamt mit Schreiben vom 17.8.2015 das Urteil des VG Regensburg (Urt. v. 16.7.2015 – RN 5 K 15.30314) unter Verweis auf den dortigen Gegenstandswertbeschluss vor.
Der Klägerbevollmächtigte erklärte, es bestehe weiterhin kein Einverständnis mit der Halbierung des Streitwerts.
2 Aus den Gründen
Das Gericht setzt nach § 33 Abs. 1 RVG den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss fest. Nach § 30 Abs. 2 RVG kann ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.
Im vorliegenden Fall sieht das Gericht den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 S. 1 RVG i.H.v. 5.000,00 EUR für unbillig an, weil beantragtes Ziel des Klageverfahrens (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung des Asylverfahrens war.
Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für den Kläger noch vom Aufwand für den Klägerbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-)Entscheidung durch das Gericht (vgl. den zugrunde liegenden Sachverhalt bei VG Ansbach, Urt. v. 28.1.2014 – AN 1 K 13.31136 u. VG Ansbach, Beschl. v. 4.8.2014 – 11 K 14.30579).
Selbst die Beantragung einer Verpflichtung des Bundesamts zur Entscheidung nach einer erfolgten Anhörung (Sachverhaltslage bei VG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2014 – 22 K 863/14.A und VG Trier, Beschl. v. 11.12.2014 – 6 K 1512/14.TR) geht von der Bedeutung für den jeweiligen Kläger deutlich weiter, weil damit die Entscheidung über einen materiellen (Asyl-)Anspruch erreicht wird, wohingegen das vorliegende Verfahren nur auf eine Fortsetzung des Asylverfahrens abzielt.
Während eine Klage auf Sachentscheidung grundsätzlich noch weiteren Sachvortrag ermöglicht und gegebenenfalls auch erfordert, fällt der Aufwand für den Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall deutlich geringer aus. Nach § 25 Abs. 1, 2 AsylVfG ist eine Anhörung, in der der Kläger seine Asylgründe vorbringen kann, zwingend durchzuführen, so dass nur der Termin für die Anhörung in Frage steht (vergleichbar dem Sachverhalt bei VG Regensburg, Urt. v. 16.7.2015 – RN 5 K 15.30314). Folglich erledigte sich dieses Klagebegehren auch dadurch, dass der Kläger vom Bundesamt zur Anhörung geladen worden war.
Dass eine derartige Fallkonstellation von der grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der verschiedenen möglichen Verfahren nach dem AsylVfG von der Neufassung des § 30 Abs. 1 RVG erfasst sein sollte, ergibt sich auch nicht aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG), BT-Drucks 17/11471, S. 269. Diese zielte auf eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Verfahren, die verschiedene Ansprüche zum Gegenstand hatten, wie Klagen auf Asylanerkennung, gegen Abschiebungsandrohungen und Abschiebungsanordnungen oder auch gegen die Durchsetzung einer Ausreisepflicht. All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie – anders als vorliegend – eine materielle Anspruchsprüfung zum Gegenstand haben.
AGS 11/2015, S. 527 - 528