Leitsatz
Der Gegenstandswert einer außergerichtlichen Schadensregulierung bemisst sich nach dem Wert der vollen Wiederbeschaffungskosten ohne Abzug eines Restwerts.
AG Norderstedt, Urt. v. 15.9.2015 – 47 C 118/15
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte nach einem Verkehrsunfall ihren Anwalt beauftragt, den ihr entstandenen Schaden zu regulieren. Nach Abschluss der Regulierung erstellte der Anwalt seine Kostenrechnung und forderte diese im Wege des Schadensersatzes von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer ein. Dabei setzte er beim Gegenstandswert den vollen vom Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungswert an, ohne den von diesem festgesetzten Restwert in Abzug zu bringen. Der Versicherer regulierte die Anwaltsvergütung lediglich nach dem geringeren Gegenstandswert unter Abzug des Restwerts. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall allein durch den Fahrzeugführer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs verursacht wurde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Verfahren ist auch mit der Durchsetzung der Schadensregulierung gegenüber der Beklagten durch den Kläger beauftragt worden.
Nach der Regelung des § 249 Abs. 1 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Dabei sind auch die Kosten erstattungsfähig, die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursacht wurden (Palandt BGB/Grüneberg, 74. Aufl., § 249 Rn 56). Grundsätzlich ist bei der Bemessung des Erstattungsanspruchs des Geschädigten gegenüber dem Schädiger hinsichtlich der entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Gegenstandswert anzusetzen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (so auch BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, juris).
1. Es ist hinsichtlich des Gegenstandswerts für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers als Gegenstandswert der Wiederbeschaffungswert ohne Abzug des Restwertes festzusetzen (so auch AG Ahlen, Urt. v. 7.5.2013 – 30 C 103/12; Janeczek, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Kap. IX. Rn 29; AG Wesel, Urt. v. 25.3.2011 – 27 C 230/10, juris; a.A. AG Koblenz, a.a.O.; AG Dinslaken, Urt. v. 16.6.2014 – 32 C 117/14, juris). Dieser Wiederbeschaffungswert spiegelt die Schadenshöhe für den Geschädigten im Unfallzeitpunkt wider. Überdies ist es Bestandteil der außergerichtlichen rechtsanwaltlichen Beratungstätigkeit, die Höhe des angesetzten Restwerts im Falle eines Totalschadens zu beurteilen. Nach der Überzeugung des Gerichts ist dabei auch unschädlich, dass aufgrund dieser Betrachtungsweise gegebenenfalls ein geringerer Betrag durch den Versicherer auszuzahlen ist, als für die Gebührenrechnung als Gegenstandswert angesetzt wird. Vielmehr trägt der Ansatz des Wiederbeschaffungswerts im Gegensatz zum Wiederbeschaffungsaufwand dem Interesse des Geschädigten angemessen Rechnung. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dieser Auffassung auch nicht die Entscheidung des BGH vom 7.11.2007 (a.a.O.) entgegen. Die dortige Entscheidung bezieht sich gerade nicht auf die Regulierung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Folge eines Verkehrsunfalls. Folglich beurteilt die Entscheidung gerade nicht die Besonderheiten der Regulierung im Rahmen eines Verkehrsunfalles. Demnach berechnet sich der Erstattungsanspruch des Klägers hinsichtlich der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 17.863,00 EUR (Wiederbeschaffungswert 17.000,00 EUR zuzüglich unstreitiger 25,00 EUR Auslagenpauschale, 150,00 EUR Zulassungskosten und 688,00 EUR Nutzungsausfall).
2. Der Kläger kann die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auch unter Ansetzung einer 1,5 Gebühr von der Beklagten verlangen. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Vergütung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Sofern eine Geschäftsgebühr abgerechnet werden wird, die über die Regelgebühr von 1,3 hinausgeht, ist diese Berechnung dann möglich, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Hier gilt jedoch die Toleranzrechtsprechung nicht. Jedoch kann eine Erhöhung der Gebühr unter anderem auch dann angenommen werden, wenn Streit über die Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts besteht bzw. über den in Ansatz gebrachten Gebührensatz. Ebenso kann Anlass für die Annahme einer Erhöhung der Gebühr sein, sofern eine Rücksprache mit Zeugen zum Unfallverlauf erfolgt (Janeczek, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Kap. IX. Rn 44, 50, 65). Vorliegend ist nach der Überzeugung des Gerichts der Ansatz einer auf 1,5 erhöhten Gebühr angemessen. Dabei kan...