RVG VV Nrn. 1000, 1003; FamGKG §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz
Die Einigungsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 1000 VV entsteht aus dem reduzierten Verfahrenswert nach §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG auch für eine Zwischenvereinbarung in einer Umgangssache, wenn dadurch ein einstweiliges Anordnungsverfahren vermieden wird; Nr. 1003 Abs. 2 VV beschreibt nur den Sonderfall des Entstehens einer Einigungsgebühr in Sorgerechtssachen – das Entstehen einer Einigungsgebühr in Umgangssachen ist dadurch nicht ausgeschlossen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 19.9.2016 – 11 WF 718/16
1 Sachverhalt
Der Kindesvater hatte die Abänderung einer vor dem FamG getroffenen Umgangsvereinbarung der Kindeseltern begehrt.
In der mündlichen Erörterung der Sache am 16.2.2016 haben die Kindeseltern eine Zwischenvereinbarung geschlossen. Inhalt dieser Zwischenvereinbarung ist ein Besuchsrecht des Vaters für sechs Monate von Freitag, 15.00 bis 18.00 Uhr bzw. an jedem zweiten Freitag von 13.00 bis 18.00 Uhr. Mit seinem Antrag verlangt der Vater die Ausweitung auf einen Wochenendkontakt von Freitag 16.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Bevollmächtigte der Antragstellerin, ausgehend von einem Verfahrenswert von 3.000,00 EUR, ihre Tätigkeit für das Verfahren gegenüber der Staatskasse auf Vorschussbasis abgerechnet und dabei eine Einigungsgebühr nach den Nrn. 1003 u. 1000 VV i.H.v. 201,00 EUR geltend gemacht, die die Rechts pflegerin mit dem angefochtenen Beschluss nicht festsetzte.
Der Erinnerung der Bevollmächtigten der Antragstellerin hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen und nach Stellungnahme der Bezirksrevisorin der zuständigen Dezernatsrichterin zur Entscheidung über die Erinnerung vorgelegt, die die Erinnerung unter Zulassung der Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung zugelassen hat. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Bevollmächtigte der Antragstellerin weiterhin die Festsetzung der Einigungsgebühr aus einem Verfahrenswert von 3.000,00 EUR.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, ohne dass es der Zulassung nach § 33 Abs. 3 S. 2 RVG bedurft hätte, da die Beschwer der Bevollmächtigten der Antragstellerin mit 201,00 EUR über dem Mindestbeschwerdewert nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG (200,00 EUR) liegt.
Die Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Bevollmächtigten der Antragstellerin steht aus einem Verfahrenswert von 1.500,00 EUR (§§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG) die Vergütung für die im Termin v. 16.2.2016 getroffene Zwischenvereinbarung zu.
Nach Nr. 1000 VV entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV). Nach Nr. 1003 VV beträgt die Gebühr grundsätzlich 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren außer einem selbstständigen Beweisverfahren anhängig ist. Eine weitere Voraussetzung für den Anfall der Gebühr kennt das Gesetz nicht. Nach dem Wortlaut der Gebührentatbestände kommt eine Vergütung für eine bloße Zwischenvereinbarung auf den ersten Blick nicht in Betracht. Auf der anderen Seite grenzt Nr. 1003 Abs. 2 VV den Anfall der Gebühr auch nicht auf Kindschaftssachen ein, über deren Gegenstand die Kindeseltern nicht vertraglich verfügen können, wie beispielsweise die elterliche Sorge (so aber Hartmann, KostG, 44. Aufl. [2014] Rn 13 zu VV 1003 Stichwort "Umgangsrechtseinigung").
Nr. 1003 Abs. 2 VV legt lediglich fest, dass die Einigungsgebühr auch für die Mitwirkung zum Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs entsteht, wenn die Eltern über den Gegenstand (die elterliche Sorge) nicht vertraglich verfügen können. Ohne diese Feststellung wäre das Entstehen der Einigungsgebühr deshalb fraglich, weil eine Einigung i.S.d. Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 RVG de jure nicht zulässig wäre.
Das ist aber für Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 2 FamFG, § 1684 f. BGB gerade anders. Das heißt, die hier – unabhängig von einer amtswegig möglichen Verfahrensführung einer Umgangssache – gegebene "Verfügungsmacht" der Kindeseltern über den Verfahrensgegenstand zwingt zu der Annahme, dass eine Einigung in einer derartigen Sache automatisch eine Einigungsgebühr auslöst. Soweit Hartmann (a.a.O.) das AG Koblenz (FamRZ 2011, 1814) und das OLG Saarbrücken (Rpfleger 2012, 470) zitiert, wird dort (OLG Saarbrücken a.a.O.) lediglich festgestellt, dass die Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000 u. 1003 VV auch dann verdient ist, wenn die Kindeseltern in einem Umgangsverfahren eine Vereinbarung über die Durchführung eines Mediationsverfahrens zwecks Aussetzung einer bereits bestehenden Umgangsregelung treffen. Nicht erwähnt wird in den genannten Entscheidungen aber, dass eine Gebühr für die Einigung in einer Umgangssache nach den Nrn. 1000 u. 1003 VV nicht entstünde; das AG Koblenz hatte insoweit lediglich zu befinden, ob bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung in einer Umgangssache die Gebühr entsteht oder nicht.