RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
- Wirkt der Anwalt an der Auseinandersetzung einer den Eheleuten gemeinsam gehörenden Immobilie mit, erhält er dafür auch eine Einigungsgebühr.
- Unterlässt es der Verfahrensbevollmächtigte im Scheidungsverfahren, sich gegen eine unzulässige Verfahrenstrennung zu wehren, so macht er sich schadensersatzpflichtig, wenn der Auftraggeber später einen anderen Anwalt mit einer Erinnerung gegen den Kostenansatz beauftragen muss.
LG Siegen, Urt. v. 15.5.2017 – 3 S 48/16
1 Sachverhalt
Der Kläger war zusammen mit seiner Ehefrau zu je 1/2 Miteigentümer einer Immobilie. Nach der Trennung beauftragte er die beklagte Kanzlei mit Verhandlungen über die Auseinandersetzung des Miteigentums an der vorgenannten Immobilie. Es kam schließlich zum Abschluss eines notariellen Vertrags, mit dem der Kläger seinen Miteigentumsanteil auf seine Ehefrau übertrug. Diese übernahm im Gegenzug die auf der Immobilie lastenden Verbindlichkeiten und verpflichtete sich, an den Kläger einen Wertausgleich zu zahlen. Die Beklagte rechnete dafür eine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) sowie eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) ab. Der Kläger bezahlte die Rechnung der Beklagten, verlangte dann aber später teilweise Rückzahlung, weil nach seiner Auffassung die Einigungsgebühr zu Unrecht erhoben worden sei.
Der Kläger hatte darüber hinaus auch den Beklagten im Scheidungsverfahren vertreten. Da im Scheidungstermin der Versorgungsausgleich noch nicht entscheidungsreif war, hatte das Gericht die Folgesache Versorgungsausgleich "abgetrennt", tatsächlich aber eine neue Akte mit neuem Aktenzeichen angelegt. Nach Abschluss des Verfahrens rechnete die Gerichtskasse aus der Folgesache eine gesonderte Verfahrensgebühr ab. Auch die Beklagte erteilte dem Kläger eine gesonderte Rechnung für die Folgesache Versorgungsausgleich. Auf die Monierung des Klägers hin stornierte die Beklagte die Rechnung wieder.
Da das Mandat mit dem Kläger zwischenzeitlich beendet war, beauftragte der Beklagte einen anderen Anwalt, gegen die Gerichtskostenrechnung für das fehlerhafterweise getrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich Erinnerung einzulegen, da die Abtrennung nicht zu Auflösung des Verbundes geführt habe und eine gesonderte Rechnung nicht zulässig sei. Das FamG hat der Erinnerung abgeholfen und die Kostenrechnung aufgehoben.
Die für das Erinnerungsverfahren angefallenen Kosten seines Anwalts macht der Kläger als Schadensersatz geltend.
Das AG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte nur teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
I. Das AG hat verkannt, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 450,41 EUR zusteht.
1. Dem Kläger steht zunächst ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB i.H.v. 432,56 EUR zu. Dieser ergibt sich aufgrund der unterbliebenen Anrechnung der Geschäftsgebühr aus dem Wert des Zugewinns im Scheidungsverfahren. …
2. Ferner hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von 17,85 EUR aus §§ 675, 280 Abs. 1 BGB wegen der Kosten des – erfolgreichen – Kostenerinnerungsverfahrens. Die – falsche – Gerichtskostenrechnung hat die Beklagten zwar nicht mehr erreicht. Ihren Grund hatte die Kostenrechnung jedoch in der seitens der Beklagten unwidersprochenen, aber sachlich aufgrund § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG fehlerhaften Behandlung des abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahrens als eigenständiges Verfahren. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte zunächst auf Grundlage der fehlerhaften Behandlung als eigenständiges Verfahren mit Rechnung vom 1.10.2012 selbst eine Verfahrensgebühr abgerechnet hat, lag auch Kenntnis der fehlerhaften Behandlung durch das Gericht vor. Gegen diesen Fehler hätte die Beklagte aber Vorgehen müssen (vgl. BeckOK-BGB/Fischer, 42. Edition, § 675 Rn 20, 27, beck-online). Gründe für eine Exculpation der Beklagten sind nicht ersichtlich. Der aus dem insoweit pflichtwidrigen Unterlassen entstandene Schaden liegt in den Kosten für die zur Korrektur der Gerichtskostenrechnung erforderlichen Erinnerung.
…
4. Soweit der Kläger der Ansicht ist, die Abrechnung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV sei hinsichtlich der Grundstücksübertragung nicht statthaft gewesen, da kein Streit über ein Rechtsverhältnis bestanden habe, kann dem nicht gefolgt werden. Die von den Beklagten abgerechnete Einigungsgebühr für die Scheidungsfolgenvereinbarung ist nicht zu beanstanden.
a) Der Anwendungsbereich der Einigungsgebühr ist nach dem Wortlaut von Vorbem. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 1000 VV auch auf den Abschluss von Verträgen ausgerichtet worden, bei denen kein Vergleich i.S.d. § 779 BGB anzunehmen ist. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll damit die streitentscheidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter gefördert und damit zur Entlastung der Gerichte beigetragen werden, ohne dass dies zwingende Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr wäre. Gleichzeitig soll mit der Formulierung ein Ende der bisherigen kostenrechtlichen Auseinandersetzung, ob ein Vergleich i.S.d. § 779 BGB vorliegt, erreicht werden (Ma...