Entgegen der Auffassung des Verteidigers steht ihm für die Grundgebühr kein Haftzuschlag zu, so dass nicht vom Gebührenrahmen nach Nr. 4101 VV (der eine Gebühr von 40,00 bis 450,00 EUR vorsieht), sondern von demjenigen nach Nr. 4100 VV (der eine Gebühr von 40,00 bis 360,00 EUR vorsieht) auszugehen ist.
Zwar müssen die Voraussetzungen für den Haftzuschlag nicht schon beim Entstehen der jeweiligen Gebühr, für die der Zuschlag bestimmt ist, vorliegen; vielmehr genügt es, dass der Mandant während des Zeitraums, den die einzelne Gebühr abdeckt, irgendwann nicht auf freiem Fuß ist (Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, Vorbem. 4 VV Rn 44, Nr. 4100, 4101 Rn 18 [bzgl. der Grundgebühr]; Rehberg/Schons/Vogt u.a., RVG, 6. Aufl., 2015, Strafsachen I. 1.2.4, S. 866; Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 107).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der Grundgebühr nicht erfüllt. Bezogen auf deren Abgeltungsbereich war der Beschwerdeführer ununterbrochen auf freiem Fuß.
Die Grundgebühr honoriert den zusätzlichen Aufwand "für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall". Die Einarbeitungstätigkeit beginnt beim Wahlverteidiger mit der ersten Tätigkeit, die zeitlich in der Regel mit dem Abschluss des Mandatsvertrags zusammenfällt. Dazu gehören insbesondere das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen sowie auch die erste Akteneinsicht nach § 147 StPO (Hartung/Schons/Enders, a.a.O., Nr. 4100, 4101 VV Rn 11 und 16; Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 31 ff.). Darüber hinaus werden (nur) sämtliche übrigen Tätigkeiten, die zusätzlicher Aufwand für die erstmalige Einarbeitung sind und in (unmittelbarem) zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, von der Grundgebühr erfasst. Ist dieser überschritten, unterfallen die weiteren Tätigkeiten dem Abgeltungsbereich der daneben immer entstehenden Verfahrensgebühr (Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 34). Als Faustregel gilt danach: All die Tätigkeiten des Verteidigers, die auf einer ersten Einarbeitung aufbauen, werden nicht mehr vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst (Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 Rn 35).
Im vorliegenden Fall ist die Grundgebühr mit dem Abschluss des Mandatsvertrags entstanden, was ausweislich der Vollmachtsurkunde am 8.6.2017 – also einen Tag nach dem in Rede stehenden Vorfall – gewesen sein dürfte. Akteneinsicht wurde dem Verteidiger erstmals im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über die Beschwerde seines Mandanten gegen die mit Beschl. d. AG v. 13.6.2016 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verfügung v. 22.6.2016 gewährt. Die Einarbeitungsphase war spätestens am 27.6.2016 abgeschlossen, denn dem Schriftsatz des Verteidigers von diesem Tage kann entnommen werden, dass er die ihm übersandten Akten bis dahin nicht nur erhalten, sondern auch durchgearbeitet hatte, weshalb er "beim jetzigen Ermittlungsstand" die Beschwerderücknahme erklärte. Die Festnahme des damaligen Beschuldigten erfolgte indes erst einen knappen Monat später am 21.7.2016 aufgrund des an diesem Tag ergangenen Haftbefehls; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt konnte von der Einarbeitungsphase keine Rede mehr sein, so dass die Inhaftierung den Haftzuschlag für die Grundgebühr nicht mehr entstehen lassen konnte.
Ausgehend von dem somit einschlägigen Gebührenrahmen des Nr. 4100 VV, der eine Gebühr von 40,00 bis 360,00 EUR vorsieht, ist die vom Rechtspfleger festgesetzte Gebühr i.H.v. 350,00 EUR unter Berücksichtigung des in der Einarbeitungsphase noch überschaubaren Aktenumfangs von gerade einmal 70 bedruckten Aktenseiten (von denen 13 Seiten – also rund ein Fünftel der Akten – auf die eigenen Schriftsätze des Verteidigers entfallen) sowie der sonstigen Umstände (leicht überdurchschnittliche Schwierigkeit; überdurchschnittliche Bedeutung für den damaligen Beschuldigten, der sich in der Anfangsphase sogar noch gegen den Vorwurf eines Verbrechens der schweren Körperverletzung zu verteidigen hatte und dem bereits mit Beschl. v. 13.6.2016 die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden war) – großzügig – angemessen. Die vom Verteidiger bestimmte Gebühr von 450,00 EUR übersteigt diesen Betrag um mehr als 20 % und ist daher nicht verbindlich.
AGS 11/2017, S. 504 - 505