ZPO §§ 91, 788 Abs. 1 S. 1; RVG VV Nr. 3309
Leitsatz
Die durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist bereits dann gem. § 788 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung zur Verfügung gestanden hat. Der Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr steht dann nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt nicht zuvor die Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hatte.
LG Saarbrücken, Beschl. v. 5.3.2018 – 5 T 88/18
1 Sachverhalt
Mit gerichtlichem Vergleich v. 19.6.2015 vor dem LG verpflichtete sich der Schuldner, an die Gläubigerin 30.000,00 EUR zu bezahlen. Den Prozessbeteiligten wurde eine Widerrufsfrist bis zum 20.7.2015 eingeräumt. Am 28.8.2015 teilte das LG den Prozessbeteiligten mit, dass der Vergleich nicht widerrufen worden sei. Am 8.10.2015 beantragten die Gläubigervertreter eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleiches. Mit Schreiben v. 13.10.2015 setzten sie dem Schuldner zwecks Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen eine Frist zur Zahlung des Vergleichsbetrages nebst den Kosten des Aufforderungsschreibens i.H.v. 331,89 EUR von einer Woche. Bei einem Telefonat der beteiligten Rechtsanwälte v. 15.10.2015 wurde die Zahlungsfrist verlängert bis zum 30.11.2015. Mit Schreiben v. 15.10.2015 forderten die Schuldnervertreter von den Gläubigervertretern eine Geldempfangsvollmacht, die diese mit Schreiben v. 21.10.2015, bei den Schuldnervertretern am 23.10.2015 eingegangen, übersandten. Am 10.11.2015 ging die Zahlung des Vergleichsbetrages bei den Gläubigervertretern ein. Die Kosten für das Schreiben v. 13.10.2015 wurden nicht übernommen.
Mit Schriftsatz v. 23.2.2016 stellten die Gläubigervertreter beim AG einen Antrag auf Festsetzung der Vollstreckungskosten in Höhe der bereits vorgerichtlich geforderten 331,89 EUR. Für die Zustellung dieses Kostenfestsetzungsantrags zahlten sie einen Betrag i.H.v. 3,50 EUR ein.
Der Schuldner hat der Festsetzung der entsprechenden Kosten widersprochen mit der Begründung, die Zwangsvollstreckungsmaßnahme in Gestalt des Schreibens v. 13.10.2015 sei nicht notwendig gewesen. Die Gläubigerin habe keine Kontoverbindung mitgeteilt gehabt, die Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin keine Geldempfangsvollmacht. Eine Auszahlung des Vergleichsbetrages ohne und vor Vorlage der Geldempfangsvollmacht sei unmöglich gewesen. Die Androhung der Zwangsvollstreckung durch die Gläubigervertreter ohne und vor der Vorlage der Geldempfangsvollmacht sei daher nicht sachdienlich und verfrüht gewesen, sodass sie nicht notwendig i.S.d. ZPO gewesen sei.
Das AG hat sich mit dem angefochtenen Beschluss dieser Argumentation angeschlossen, zusätzlich darauf hingewiesen, dass die Zahlung noch vor Ablauf der verlängerten Zahlungsfrist eingegangen war und den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, der das AG nicht abgeholfen hat.
2 Aus den Gründen
Die nach § 104 Abs. 3 S. 1 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Durch das Schreiben eines Rechtsanwalts, durch das der Schuldner zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung aufgefordert wird, wird die Zwangsvollstreckung vorbereitet, weshalb eine 0,3-Vollstreckungsgebühr nach § 13 RVG i.V.m. Nr. 3309 VV ausgelöst wird (BGH, Beschl. v. 18.7.2003 – IXa ZB 146/03, juris Rn 9 [= AGS 2003, 561]).
Zu Unrecht hat das AG die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als nicht notwendig i.S.d. § 788 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO eingeschätzt und deshalb die der Höhe nach unstreitige Gebühr von 331,89 EUR als nicht erstattungsfähig angesehen. Dabei kann zunächst entgegen der Auffassung des AG nicht auf die parteiliche Verlängerung der Zahlungsfrist v. 15.10.2015 abgestellt werden. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Kosten für das Schreiben v. 13.10.2015 bereits angefallen. Die Verlängerung der Zahlungsfrist diente nur der Vermeidung weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
Die Notwendigkeit von Vollstreckungshandlungen, die Kosten für den Schuldner auslösen, bestimmt sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme. Wesentlich dabei ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte, wobei dem Schuldner eine nach den jeweiligen Umständen angemessene Frist zur freiwilligen Leistung einzuräumen ist (BGH, a.a.O., juris Rn 11).
Die durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gem. § 788 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ist, die Fälligkeit der ti...