RVG VV Nr. 3104

Leitsatz

Ist die Klage unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden, entsteht die Terminsgebühr nur aus dem Kostenwert.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.2.2019 – 6 W 101/18

1 Sachverhalt

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit einer vollen Terminsgebühr.

Die Klägerin hat am Terminstag, bei Gericht per Fax am gleichen Tag um 8:32 Uhr eingegangen, die Klage zurückgenommen. Das Gericht hat den Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf die Klagerücknahme hingewiesen. Der Beklagtenvertreter hat daraufhin einen Kostenantrag gestellt. Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG die von der Klägerseite zu erstattenden Kosten auf 978,54 EUR festgesetzt. Dabei ging es von einer 1,2-Terminsgebühr i.H.v. 363,60 EUR aus dem vollen Streitwert des Rechtsstreits aus. Auf Erinnerung des Beklagten hat es den Erstattungsbetrag auf 985,74 EUR festgesetzt. Mit Beschl. v. 4.2.2019 hat das LG den Streitwert bis zum 12.6.2018 auf 4.347,16 EUR und ab dem 13.6.2018 auf 1.484,96 EUR festgesetzt.

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Über die Beschwerde war gem. § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden, da die in S. 2 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

2. Die 1,2-Terminsgebühr entsteht nach Nr. 3104 VV in allen Verfahren, sofern kein Ausnahmetatbestand eingreift. Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die Klägerin dem Beklagten allerdings nur diejenigen Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Vorliegend war bereits vor dem Termin die Klagerücknahme beim LG eingegangen. Dies geschah wenige Stunden vor Terminsbeginn und wurde der zuständigen Kammer offenbar noch rechtzeitig zur Kenntnis gegeben (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung). Die Klagerücknahme war mit ihrem Eingang bei Gericht wirksam. Für die Wirksamkeit war weder die Zustellung noch der Zugang beim Beklagtenvertreter erforderlich (§ 269 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO). Die Rechtshängigkeit der Hauptsache war damit rückwirkend entfallen. Es konnte nicht mehr über die Hauptsache, sondern nur noch über die Kosten des Rechtsstreits verhandelt werden (§ 269 Abs. 3 ZPO). Die Sache wurde zwar aufgerufen; der Aufruf ist jedoch dahingehend zu verstehen, dass er nur den Teil des Verfahrens betraf, über den noch zu entscheiden war (Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Anhang IV Rn 334). Gegenstand des Termins war allein die Kostenfrage. Dementsprechend stellte der Beklagtenvertreter im Termin lediglich einen Kostenantrag.

3. Bei dieser Sachlage konnte die Terminsgebühr nicht aus dem Hauptsachestreitwert anfallen, sondern lediglich aus dem Kostenwert (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, Anhang IV Rn 334; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.3.2009 – 8 W 118/09). Den Kostenwert hat das LG auf 1.484,96 EUR festgesetzt. Daraus errechnet sich eine 1,2-Gebühr i.H.v. 138,00 EUR. Im Kostenfestsetzungsbeschluss des LG wurde demgegenüber eine Terminsgebühr i.H.v. 363,60 EUR in Ansatz gebracht. Der festgesetzte Erstattungsbeitrag ist um 225,60 EUR zu reduzieren. Er beläuft sich anstatt der festgesetzten 985,74 EUR nur auf insgesamt 760,14 EUR.

3 Anmerkung

Im Gegensatz zu der vorangegangenen Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg[1] hat das Gericht hier einen Termin durchgeführt. Wird ein solcher Termin durchgeführt, entsteht eine Terminsgebühr, unabhängig davon, ob die Durchführung des Termins prozesswidrig war oder nicht.

In Anbetracht dessen, dass die Hauptsache allerdings bereits durch Klagerücknahme erledigt war, ist hier die Terminsgebühr nur aus dem Wert der Kosten angefallen.

Entgegen der Auffassung des Gerichts hat das LG allerdings den Gegenstandswert für die Terminsgebühr nicht festgesetzt.

Das LG hat eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung vorgenommen. Eine solche gestaffelte Wertfestsetzung ist unzulässig.[2] Die gerichtliche Streitwertfestsetzung hat für die Gerichtsgebühr(en) zu erfolgen. Da es in gerichtlichen Verfahren aber nur eine einzige Gerichtsgebühr gibt, sei es zu einem Gebührensatz von 3,0 (Nr. 1210 GKG-KostVerz.) oder 1,0 (Nr. 1211 GKG-KostVerz.), kann es folglich auch nur einen einzigen Wert geben.

Der Gegenstandswert der Terminsgebühr hätte hier vielmehr auf Antrag nach § 33 RVG gesondert festgesetzt werden müssen. Zu einer amtswegigen Festsetzung ist das Gericht nicht berechtigt, zumal es nicht wissen kann, ob zwischen den Parteien vor Klagerücknahme nicht ggfs. eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV stattgefunden hat, sodass für die Terminsgebühr doch der volle Wert festzusetzen gewesen wäre.

Rechtsanwalt Norbert Schneider

AGS 11/2019, S. 501 - 502

[1] S. AGS 2019, 499.
[2] OLG München AGS 2017, 336 = MDR 2017, 243 = NJW-RR 2017, 700; LG Mainz AGS 2018, 571 m. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2018, 701; LG Stendal AGS 2019, 228 = NJW-RR 2019, 703 = JurBüro 2019, 36.

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