ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
Hat ein Bundesland von der Möglichkeit des § 13a GVG Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit eines Gerichts in bestimmten Streitigkeiten für mehrere Gerichtsbezirke angeordnet, dann sind die Reisekosten eines außerhalb dieser Gerichtsbezirke ansässigen Anwalts, dessen Hinzuziehung für sich genommen nicht notwendig war, zu erstatten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des zentralen Gerichts.
LG Dortmund, Beschl. v. 13.9.2019 – 8 O 80/14 [Kart]
1 Sachverhalt
Die Partei hatte vor dem LG Dortmund einen Rechtsstreit in einer Kartellsache geführt. Hierzu hatte sie einen Anwalt aus Bad Arolsen (Hessen) beauftragt. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte die Partei die Festsetzung ihrer Kosten, u.a. auch der vollen Reisekosten ihres Anwalts. Insoweit hat die Partei vorgetragen, dass es zwar nicht notwendig gewesen wäre, einen Anwalt aus Bad Arolsen zu beauftragen. Ungeachtet dessen seien die Reisekosten jedoch zu erstatten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks. Dabei sei nicht auf den Gerichtsbezirk des LG Dortmund abzustellen. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass in Kartellsachen das LG Dortmund für den gesamten OLG-Bezirk Hamm zuständig sei. Daher müsse hinsichtlich der höchstmöglichen Entfernung auf den gesamten OLG-Bezirk abgestellt werden. Dort gebe es aber Orte, die weiter vom LG Dortmund entfernt seien, als die Kanzlei des Anwalts in Bad Arolsen. Das Gericht hat antragsgemäß festgesetzt.
2 Aus den Gründen
Die Reisekosten waren in voller Höhe als erstattungsfähig anzusehen.
Der Beklagte zu 1) hat seinen Sitz in W und beauftragte einen Prozessbevollmächtigten aus Bad Arolsen mit der Wahrnehmung seiner Interessen.
Grds. sind die Reisekosten eines am dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten lediglich bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts als erstattungsfähig anzusehen, wenn dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen wäre.
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
Nach der Entscheidung des BGH v. 9.5.2018 (I ZB 62/17) sind die tatsächlich angefallenen Reisekosten des am dritten Ort ansässigen Prozessbevollmächtigten jedoch insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die Partei einen Rechtsanwalt am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.
Nach § 1 der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte und über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz handelt es sich hierbei um den gesamten Bezirk des OLG Hamm.
Die weitest entfernteste Strecke liegt bei 182 km.
Auf der Beklagtenseite zu 1) wurde eine einfache Strecke von 129,5 km angemeldet. Somit waren die Reisekosten insgesamt als erstattungsfähig anzusehen.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Heinrich Göbel, Bad Arolsen
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Der BGH hat mehrfachen klargestellt, dass die Reisekosten eines Anwalts außerhalb des Gerichtsbezirks, dessen Hinzuziehung für sich genommen nicht notwendig war, jedenfalls bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig sind. Der Gerichtsbezirk ist dabei im Kontext zur jeweiligen Streitigkeit zu sehen. Ist – wie hier – ein Gericht auch für andere Gerichtsbezirke zuständig (also hier auch für die LG-Bezirke Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold. Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn und Siegen), dann ist auf die höchstmögliche Entfernung innerhalb dieser Gerichtsbezirke abzustellen. Solche Konzentrationen kommen zum Teil auch in anderen Rechtsgebieten vor. So sind in einigen Ländern einem Familiengericht mehrere Amtsgerichtsbezirke zu geordnet. Auch dann ist auf die höchstmögliche Entfernung innerhalb sämtlicher Gerichtsbezirke abzustellen.
Rechtsanwalt Norbert Schneider
AGS 11/2019, S. 535