RVG § 46 Abs. 6
Leitsatz
Die in der Ausnahmevorschrift des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG fingierte vergütungsrechtliche Rückwirkung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Strafverfahren greift dann nicht, wenn in dem gerichtlichen Beiordnungsbeschluss ausdrücklich eine abweichende Bestimmung der zeitlichen Geltung der Beiordnung getroffen worden ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.5.2018 – III-1 Ws 274/17
1 Sachverhalt
Gegen die vorstehende Beschwerdeentscheidung LG wendet sich der beigeordnete Rechtsanwalt, mit der er die unterbliebene Festsetzung der vor dem 24.9.2015 angefallenen Gebühren beanstandet. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (s. vorstehende Entscheidung) und die Sache dem OLG vorgelegt. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
1. Der Einzelrichter des Senats ist zur Entscheidung berufen, weil der angegriffene landgerichtliche Beschluss in entsprechender Besetzung ergangen ist (§ 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 8 S. 1 RVG).
2. Die Beschwerde gegen den Beschluss der Strafkammer ist nach § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 und 4 RVG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden.
3. In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Zu Recht haben der Rechtspfleger und die Strafkammer bei der Festsetzung der Vergütung des Beistands des Nebenklägers nur nach dem 24.9.2015 entstandene Gebühren berücksichtigt. Der Festsetzung einer Vergütung für vor diesem Zeitpunkt entfaltete Tätigkeiten steht entgegen, dass in dem landgerichtlichen Beiordnungsbeschluss v. 20.10.2015 die Wirkung der Beiordnung ausdrücklich auf die Zeit ab dem 24.9.2015 beschränkt ist.
Zwar fingiert die Ausnahmevorschrift des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG, mit der u.a. von Streit und Unklarheiten vermieden werden sollen (vgl. OLG Hamburg NStZ-RR 2012, 390), im Grundsatz die vergütungsrechtliche Rückwirkung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Strafverfahren. Diese Regelung greift indes dann nicht, wenn – wie hier – in dem gerichtlichen Beiordnungsbeschluss ausdrücklich eine abweichende Bestimmung der zeitlichen Geltung der Beiordnung getroffen worden ist. Denn nach § 45 Abs. 3, § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach dem Beschluss, durch den der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Für den Umfang des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts ist mithin der in dem Beiordnungsbeschluss bestimmte Umfang seiner Beiordnung maßgeblich (OLG Hamburg JurBüro 2018, 17; Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., § 45 Rn 60; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 48 Rn 3; Ebert, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 48 Rn 11; Hartung, in: Hartung/Schons, RVG, 3. Aufl., § 48 Rn 6). Die Staatskasse schuldet dem beigeordneten Rechtsanwalt nur insoweit eine Entschädigung, als er im Rahmen der Beiordnung tätig geworden ist; außerhalb der Beiordnung vorgenommene Tätigkeiten begründen keinen Anspruch gegen den Staat (Ahlmann, a.a.O., § 48 Rn 6). Der Beiordnungsbeschluss ist praktisch die Anspruchsgrundlage des gegen die Staatskasse gerichteten Vergütungsanspruchs und für das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend (Hartung, a.a.O.).
AGS 11/2019, S. 508