GKG §§ 63 Abs. 2, 44, 63 Abs. 1, 68 Abs. 1
Leitsatz
- Der Gebührenstreitwert ist gem. § 63 Abs. 2 GKG erst dann festzusetzen, wenn eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht.
- Bei einer Stufenklage setzt die Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG eine Entscheidung in der dritten Stufe über den Zahlungsantrag voraus.
- Wird der Gebührenstreitwert verfrüht festgesetzt, ist die Festsetzung auf die Beschwerde eine Partei aufzuheben.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.2020 – 9 W 23/20
1 Sachverhalt
Die Parteien im Verfahren des LG sind Schwestern. Sie sind Miterbinnen zu je 1/2 nach dem Tod ihrer Mutter. Die Klägerin hat vor dem LG eine Stufenklage erhoben, mit welcher sie in der ersten Stufe Auskunft über den Wert eines Grundstückes verlangt hat, welches der Beklagten von der Mutter zu Lebzeiten zugewendet wurde, und außerdem eine Auskunft über den Bestand des Nachlasses. In der zweiten und dritten Stufe hat die Klägerin einen Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und einen unbezifferten Zahlungsantrag angekündigt. Mit dem Zahlungsantrag wollte die Klägerin nach Auskunftserteilung einen Pflichtteilsergänzungsanspruch beziffern.
Mit Teil-Urt. v. 14.11.2019 hat das LG den Auskunftsantrag abgewiesen und die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten. Gleichzeitig hat das LG den Streitwert für das Verfahren auf 148.871,00 EUR festgesetzt. Der Streitwert entspreche dem Wert des unbezifferten Zahlungsantrags. Aus der Begründung der Klage ergebe sich, dass die Klägerin sich bei Einreichung der Stufenklage einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in dieser Höhe vorgestellt habe.
Die Klägerin hat gegen die Abweisung ihres Auskunftsantrags Berufung eingelegt. Die Berufung hat sie später wieder zurückgenommen. Den Streitwert für das Berufungsverfahren wegen der Auskunft hat das OLG Karlsruhe auf 14.887,10 EUR festgesetzt und dabei darauf hingewiesen, dass dieser Wert 10 % des Leistungsantrags entspreche.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.4.2020 hat die Klägerin beim LG Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren mit Beschl. v. 14.11.2019 eingelegt. Die Streitwertfestsetzung des LG sei überhöht, da für das erstinstanzliche Verfahren nur der Wert des Auskunftsantrags anzusetzen sei.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des LG ist begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig gem. § 68 Abs. 1 GKG. Nach dieser Vorschrift ist zwar eine vorläufige Festsetzung des Werts gem. § 63 Abs. 1 GKG nicht anfechtbar; jedoch ist eine Beschwerde gegen die endgültige Festsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG zulässig. Bei der Festsetzung des LG im Beschl. v. 14.11.2019 handelt es sich nicht um eine vorläufige Wertfestsetzung i.S.v. § 63 Abs. 1 GKG, sondern um eine Festsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG. Dies ergibt eine Auslegung der erstinstanzlichen Entscheidung. Aus dem Beschl. d. LG ergibt sich kein Vorbehalt dahingehend, dass die Wertfestsetzung nur vorläufig sein solle. I.Ü. ergibt sich aus der Begründung auf Seite 10 des Urteils, dass bei der Wertfestsetzung eine abschließende Berücksichtigung sämtlicher Anträge – also auch des im Teil-Urteil nicht beschiedenen unbezifferten Zahlungsantrags – erfolgen sollte. Dabei hat das LG § 44 GKG (Maßgeblichkeit des Wertes des höheren Antrags) berücksichtigt.
2. Die Wertfestsetzung ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen für eine Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG bis jetzt nicht vorliegen.
a) Eine endgültige Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG ist erst dann zulässig, wenn eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt (§ 63 Abs. 2 S. 1 GKG; vgl. zu den Voraussetzungen ausführlich Meyer, GKG, 16. Aufl., 2018, § 63 GKG Rn 12). Das Verfahren vor dem LG ist jedoch noch nicht beendet, da eine Entscheidung über den Zahlungsantrag fehlt, bzw. ggfs. eine anderweitige Erledigung des Verfahrens. Da die Voraussetzungen für eine Wertfestsetzung (noch) nicht vorliegen, ist die Entscheidung des LG aufzuheben (ebenso OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.2.2007 – 11 W 12/07).
b) In dem weiter anhängigen Verfahren wird das LG im Zusammenhang mit einer späteren abschließenden Entscheidung über den Streitgegenstand einen neuen Wert gem. § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen haben. Der Streitwert wird sich gem. § 44 GKG nach dem höheren Wert des Antrags in der dritten Stufe richten, wovon auch das LG in der Entscheidung vom 14.11.2019 bereits ausgegangen ist. Dabei wird möglicherweise der Wert des inzwischen von der Klägerin im Schriftsatz vom 31.12.2019 konkretisierten Leistungsantrags maßgeblich sein (vgl. Meyer, a.a.O., § 44 GKG Rn 6). Wenn der Wert des zunächst unbezifferten Zahlungsantrags in der Klageschrift vom 28.2.2019 höher anzusetzen ist, kann möglicherweise dieser Wert maßgeblich bleiben (vgl. Meyer, a.a.O.). Im letzteren Fall wäre zu prüfen, ob der vom LG bisher angesetzte Betrag von 148.871,00 EUR den Wertvorstell...