1. Antrag und Antragsfrist
Ist für die mittellose Person keine PKH/VKH beantragt oder bewilligt, kann gleichfalls eine Reiseentschädigung gewährt werden. Es bedarf auch hier stets eines Antrags (Nr. 1 S. 1 VwV Reiseentschädigung), der schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen ist. In Eilfällen entscheidet der Direktor bzw. Präsident des AG am Wohnort des antragstellenden Beteiligten (Nr. 2 S. 1 VwV Reiseentschädigung).
Eine nachträgliche Geltendmachung ist statthaft, jedoch ist die Ausschlussfrist der Nr. 1.3 VwV Reiseentschädigung zu beachten. Danach erlischt der Anspruch, wenn er nicht binnen drei Monaten nach der Verhandlung geltend gemacht wird.
2. Entscheidung des Gerichts
Nr. 1.1 VwV Reiseentschädigung bestimmt, dass über die Bewilligung das Gericht entscheidet, bei staatsanwaltschaftlichen Verhandlungen, Vernehmungen oder Untersuchungen die Staatsanwaltschaft. Gericht ist der Richter, dem die Hauptsacheentscheidung obliegt, bzw. der Rechtspfleger, wenn ihm das Verfahren, für das die Reiseentschädigung beantragt wird, nach dem RPflG übertragen ist. Anders als in den Fällen der PKH-/VKH-Bewilligung bedarf es also stets einer ausdrücklichen gerichtlichen Entscheidung.
Die Bewilligung der Reiseentschädigung erfolgt in der gerichtlichen Praxis, anders als bei einer PKH-/VKH-Bewilligung, nur für den einzelnen Gerichtstermin, sodass für weiter stattfindende Gerichtstermine erneut ein Antrag gestellt werden muss. Das Gericht kann aber in seiner Entscheidung auch für mehrere Termine eine Reiseentschädigung bewilligen.
Zu beachten ist zudem, dass das Gericht über die Reiseentschädigung nur dem Grunde nach entscheidet, während die konkrete Berechnung der Reiseentschädigung durch die Anweisungsstelle des Gerichts erfolgt (Nr. 1.1.1 VwV Reiseentschädigung). Wegen der Höhe der einzelnen zu erstattenden Kosten s. unten VI.
3. Bewilligungsvoraussetzungen
Eine Reiseentschädigung kann nur bewilligt werden, wenn
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der Antragsteller mittellos ist (Nr. 1 S. 4 VwV Reiseentschädigung), und |
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es sich um eine für die Rechtsverteidigung/Rechtverfolgung notwendige Reise handelt. |
Eine Mittellosigkeit liegt nach Nr. 1 S. 4 VwV Reiseentschädigung vor, wenn der Beteiligte nicht in der Lage ist, die Reisekosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Hierzu sind dem Gericht ggfs. Unterlage vorzulegen, aus denen sich eine solche Mittellosigkeit ergibt. Auf einen konkreten Betrag stellt die Regelung nicht ab, sodass zum einen die vorhandenen Mittel der Person, aber auch die Höhe der Fahrtkosten zu berücksichtigen sind.
Eine Prüfung der Erfolgsaussicht des Antrags findet durch das Gericht nicht statt, jedoch hat das Gericht bei seiner Entscheidung zu prüfen, ob die Teilnahme an dem Gerichtstermin notwendig ist bzw. ob auch ein bemittelter Beteiligter aus verständlichen Gründen an dem Termin teilnehmen würde.
Die Notwendigkeit der Reisekosten ist dem Grunde nach stets zu bejahen, wenn das Gericht das persönliche Erscheinen des Beteiligten angeordnet hat, sodass hier eine Reiseentschädigung zu zahlen ist. Eine solche Anordnung kann etwa nach §§ 141, 273, 278 ZPO, §§ 33, 128, 155, 207 FamFG ergehen. In diesen Fällen sind die Reisekosten unumgänglich angefallen. Ist das persönliche Erscheinen hingegen nicht angeordnet, so ist zu prüfen, ob auch ein bemittelter Beteiligter aus verständlichen Gründen an dem Termin teilgenommen hätte. Davon ist etwa auszugehen bei einem Beweisaufnahmetermin, bei dem auch die informatorische Anhörung des Beteiligten nicht ausgeschlossen ist. In Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist zudem davon auszugehen, dass wegen der hohen Bedeutung der Verfahren regelmäßig auch ein bemittelter Beteiligter an dem Termin teilgenommen hätte. Die Reise zu einer Revisionsverhandlung wird wohl regelmäßig nicht als notwendig anzusehen sein und die Bewilligung einer Reiseentschädigung abzulehnen sein. Der BGH hat in einer Entscheidung hierzu ausgeführt, dass das Revisionsverfahren eine reine Rechtsinstanz sei und Tatsachenfragen nicht zur Entscheidung stünden. In Anwaltsprozessen komme folglich dem einer Naturalpartei zustehenden Vortragsrecht (§ 137 Abs. 4 ZPO) im Revisionsverfahren nicht das gleiche Gewicht zu wie in einer Verhandlung vor einer Tatsacheninstanz.
Zu beachten ist zudem, dass die Reiseentschädigung nicht nur für die Teilnahme an Gerichtsterminen gewährt wird, sondern auch für Untersuchungstermine (z.B. Blutentnahme in Abstammungssachen) oder Besuchen bei einem Verfahrensbeistand oder Verfahrenspfleger.