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Können mittellose Parteien oder Beteiligte die Kosten für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin nicht aufbringen, kann ihnen auf Antrag aus der Staatskasse eine Reiseentschädigung gewährt werden, welche die notwendigen Reisekosten umfasst. Die Bewilligung einer Reiseentschädigung ist dabei nicht von der Bewilligung von PKH/VKH abhängig. Im Folgenden sollen die Bewilligungsvoraussetzungen, das Verfahren und der Umfang der Reiseentschädigung besprochen werden.
I. Wesen der Reiseentschädigung
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Gewährung einer Reiseentschädigung fehlt. Es finden weder die Regelungen der PKH/VKH direkte Anwendung noch kann § 3 JVEG herangezogen werden. Lediglich die in Ländern und im Bund ergangenen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung einer Reiseentschädigung (VwV Reiseentschädigung) enthalten Regelungen zu Anspruch und Verfahren (zu den Fundstellen s. unten unter IX).
Gleichwohl handelt es sich bei der Entscheidung über die Bewilligung einer Reiseentschädigung um einen Akt der Rechtsprechung und nicht um eine bloße Entscheidung der Justizverwaltung. Nach einer Entscheidung des BGH ergeht die Entscheidung über die Gewährung der Reiseentschädigung nämlich in entsprechender Anwendung der Regelungen über die Prozesskostenhilfe, was zum einen aufgrund der Rechtsähnlichkeit der Entscheidung gerechtfertigt sei und i.Ü. auch deshalb notwendig sei, weil bei einer Nichtanwendung der PKH-Vorschriften eine gesetzliche Grundlage für die Bewilligung fehlen würde. Es ist deshalb heute h.M., dass es sich um einen Akt der Rspr. handelt, und zwar unabhängig davon, ob der mittellosen Person PKH oder VKH bewilligt wurde.
II. Anwendungsbereich
Eine Reiseentschädigung kann gem. dem Wortlaut der VwV Reiseentschädigung für mittellose Parteien, Beschuldigten oder andere Verfahrensbeteiligte gewährt werden. Eine Bewilligung ist folglich in sämtlichen Rechtssachen statthaft.
Als Partei bzw. Beteiligter gelten in Zivil- und Familiensachen insbesondere Kläger, Beklagter, Antragsteller oder Antragsgegner, aber auch Nebenintervenient und Streitverkünder. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann neben Antragsteller und Antragsgegner jeder, der nach dem FamFG eine Beteiligtenstellung besitzt, eine Reiseentschädigung beantragen. In Strafsachen kann eine Reiseentschädigung dem Beschuldigten oder Angeklagten sowie dem Privat- oder Nebenkläger gewährt werden.
Handelt es sich hingegen um Personen, denen ein Entschädigungs- oder Vergütungsanspruch nach dem JVEG zusteht (z.B. Zeugen, Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer), gilt § 3 JVEG. Es besteht insoweit eine eindeutige gesetzliche Grundlage für die Vorschussgewährung. Die VwV Reiseentschädigung enthält hierzu nur Ausführungsvorschriften (vgl. Nr. 3 der VwV Reiseentschädigung).
III. Antrag
1. Antragserfordernis
Eine Reiseentschädigung wird nur auf Antrag gewährt, was zum einen ausdrücklich aus den Verwaltungsbestimmungen folgt (Nr. 1 S. 1 VwV Reiseentschädigung), sich zum anderen aber auch daraus ergibt, dass gem. der BGH-Entscheidung die PKH-Vorschriften (vgl. § 117 Abs. 1 S. 1 ZPO) entsprechende Anwendung finden. Von Amts wegen kann folglich eine Reiseentschädigung nicht gewährt werden, was aber natürlich einen Hinweis des Gerichts auf diese Möglichkeit nicht ausschließt.
Für das Verfahren wegen der Reiseentschädigung ist aufgrund jüngerer Rspr. danach zu unterscheiden, ob die mittellose Person bereits PKH/VKH beantragt hat oder ob die Reiseentschädigung völlig losgelöst von PKH/VKH beantragt werden soll.
Ist PKH/VKH bewilligt, soll diese Bewilligung nämlich automatisch auch die Reiseentschädigung der Partei mitumfassen (s. unten Kap. IV). In diesem Fall bedarf es dann zwar keiner ausdrücklichen Bewilligung der Reiseentschädigung mehr, jedoch müssen die Reisekosten noch geltend gemacht werden. Eine Berechnung und Erstattung erfolgt folglich auch in diesen Fällen nicht von Amts wegen.
Ist überhaupt keine PKH/VKH beantragt und bewilligt, bedarf es hingegen stets eines Antrags, der jedoch wegen Nr. 1.3 VwV Reiseentschädigung auch noch nachträglich gestellt werden kann (s. unten Nr. 2).
2. Nachträgliche Geltendmachung
Die Reiseentschädigung muss nicht zwingend vor Reiseantritt beantragt werden. Die VwV Reiseentschädigung sieht ausdrücklich vor, dass eine nachträgliche Geltendmachung statthaft ist, jedoch ist die Ausschlussfrist der Nr. 1.3 VwV Reiseentschädigung zu beachten. Danach erlischt der Anspruch, wenn er nicht binnen drei Monaten nach der Verhandlung geltend gemacht wird.
Die Reiseentschädigung muss deshalb in einem angemessenen Zeitraum geltend gemacht werden, denn bestreitet der Beteiligte die Reisekosten zunächst aus eigenen Mitteln und verzichtet dann für längere Zeit nach deren Entstehung auf eine Abrechnung gegenüber der Staatskasse, so begründet dies nach dem OLG Dresden die tatsächliche Vermutung, dass der Beteiligte trotz der VKH-Bewilligung zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen ist. Bis wann n...