BGB §§ 249, 280, 286; RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
- Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit außergerichtlicher, nach Nr. 2300 VV zu vergütender Tätigkeit neben oder vor der Erteilung eines Klageauftrages bei der Geltendmachung einer Entgeltforderung ist in rechtlich einfach gelagerten Fällen zur Rechtsverfolgung weder erforderlich noch zweckmäßig, sondern überflüssig und teuer.
- Maßgeblich für die Frage, ob der Geschädigte dem ihn beratenden Rechtsanwalt einen nach Nr. 3100 VV zu vergütenden Klageauftrag oder einen nach Nr. 2300 VV zu vergütenden Auftrag und später eventuell einen weiteren nach Nr. 3100 VV zu vergütenden Auftrag zur Verfolgung seiner offenen Entgeltforderung erteilt, ist die Sicht des vom Rechtsanwalt im Rahmen der Zweckmäßigkeitsberatung bereits vollständig über die Möglichkeiten der Rechtsverfolgung und der dabei anfallenden Kosten beratenen Geschädigten.
- Weil es die kostengünstigere Möglichkeit der Rechtsverfolgung ist, darf der Rechtsanwalt sich für die Geltendmachung von zwei Forderungen des Gläubigers gegen den Schuldner nur einen Auftrag erteilen lassen. Nichts Anderes kann gelten, wenn sich der Rechtsanwalt zur Geltendmachung und Titulierung einer Forderung zwei Aufträge erteilen lässt, obwohl er kostengünstiger dieselbe anwaltliche Tätigkeit bei Erteilung eines Klageauftrages erbracht hätte.
AG Bremervörde, Urt. v. 31.1.2019 – 5 C 110/19
1 Aus den Gründen
Die Klage ist zum Teil begründet.
Die Klägerin hatte gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich der dem Beklagten mit Schreiben vom 31.7.2018 in Rechnung gestellten Vergütung von 96,39 EUR für die Erneuerung einer GSM-Antenne. Der Ausgleich des Rechnungsbetrages erfolgte erst am 28.2.2019, nachdem am 20.2.2019 dem Beklagten der Mahnbescheid zugestellt wurde. Mit dem Ausgleich des Rechnungsbetrages befand der Beklagten seit dem 25.8.2018 im Verzug, sodass der Anspruch auf Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 96,39 EUR für die Zeit vom 25.8.2018 bis zum 28.2.2019 aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet ist.
Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Ersatz von 1,80 EUR für die Fertigung und Versendung von zwei Mahnungen nach Verzugseintritt gegen den Beklagten aus §§ 286, 249 ff. BGB, weil sich der Beklagte mit dem Ausgleich der monatlichen Abschläge im Zahlungsverzug befand. Der darüber hinaus gehende Antrag auf Zahlung von 5,00 EUR ist nicht begründet.
Die Klägerin macht je Mahnschreiben einen Betrag von 2,50 EUR geltend. Die Berechnung einer pauschalen Mahngebühr gegenüber Verbrauchern i.H.v. 2,50 EUR verstößt nach Auffassung des BGH gegen § 309 Nr. 5a BGB und ist deshalb unwirksam. Der Betrag von 2,50 EUR für die Fertigung und Versendung eines Mahnschreibens übersteigt die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten. Denn zu den ersatzfähigen Schäden zählen nur diejenigen, die adäquat kausal durch die Pflichtverletzung verursacht wurden. Der Zeitaufwand des Geschädigten ist nicht zu ersetzen (vgl. BGH Urt. v. 26.6.2019 – VIII ZR 95/18). Zu ersetzen sind also nur die für die Fertigung des Mahnschreibens angefallenen Materialkosten wie Papier und Tinte sowie das für die Versendung angefallene Porto. Die für die Fertigung und Versendung eines Mahnschreibens anfallenden Material- und Portokosten können, weil der Betrag von 2,50 EUR nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dafür nicht aufzubringen ist, vorliegend gem. § 287 ZPO nur auf einen Betrag von 0,90 EUR je Mahnschreiben geschätzt werden. Weitere Anhaltspunkte zur Schätzung eines höheren Schadens hat die Klägerin nicht dargetan.
Die Klägerin kann die nach Nr. 2300 VV berechneten Rechtsanwaltskosten von 70,20 EUR vom Beklagten nicht als Verzugsschaden ersetzt verlangen (§§ 280, 286, 249 ff. BGB), weil die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit außergerichtlicher, nach Nr. 2300 VV zu vergütender Tätigkeit neben oder vor der Erteilung eines Klageauftrages bei der Geltendmachung einer Entgeltforderung in rechtlich einfach gelagerten Fällen zur Rechtsverfolgung weder erforderlich noch zweckmäßig, sondern überflüssig und teuer ist.
I. Die Klägerin hat schon nicht schlüssig dargelegt, ihren Prozessbevollmächtigten einen nach Nr. 2300 VV zu vergütenden Auftrag erteilt zu haben.
Es ist Aufgabe des Tatrichters, Art und Umfang des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags zu bestimmen. Aus dem Tatsachenvortrag der Klägerin ergibt sich, dass nur ein Klageauftrag erteilt wurde und kein weiterer Auftrag, die Forderung nur außergerichtlich geltend zu machen.
Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist aber erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BGH, Beschl. v. 28.5.2019 – VI ZR 328/18). Hier fehlt es dem Sachvortrag der Klägerin an näheren Einzelheiten, um beurteilen zu können, ob die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigt...