VwGO §§ 165, 151; RVG §§ 30 Abs. 1 u. 2, 33 Abs. 1
Leitsatz
Für eine Untätigkeitsklage nach dem AsylG ist grundsätzlich vom hälftigen Regelwert auszugehen.
VG München, Beschl. v. 15.1.2020 – M 31 M 19.33844
1 Sachverhalt
Am 23.10.2015 erhoben die Antragsgegner (vormals: Kläger) eine auf Fortführung der Asylverfahrens und Verbescheidung der Asylanträge gerichtete Klage. Mit Urteil des Einzelrichters (§ 76 Abs. 1 AsylG) vom 8.2.2016 wurde die Antragstellerin (vormals: Beklagte) verpflichtet, über die Asylanträge der Antragsgegner jeweils bis spätestens drei Monate nach Rechtskraft des Urteils zu entscheiden.
Mit Schriftsatz vom 6.10.2019 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsgegner, die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 9.000,00 EUR auf insgesamt 1.532,12 EUR festzusetzen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss setzte die Urkundsbeamtin des Gerichts die Kosten antragsgemäß fest.
Hiergegen beantragte die Antragstellerin die Entscheidung des Gerichts.
Streitgegenstand der Untätigkeitsklage sei allein die Verpflichtung der Antragstellerin zur Bescheidung des Asylantrags gewesen. Ein Gegenstandswert von 9.000,00 EUR sei daher unbillig. Nach der Rspr. insbesondere des BVerwG seien aus Gründen der Billigkeit eine Halbierung des Gegenstandswerts und damit eine Festsetzung von 4.500,00 EUR geboten.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn dem Gericht zur Entscheidung vor.
Der Bevollmächtigte der Antragsgegner führte aus, der Kostenfestsetzung sei zutreffend der Regelgegenstandswert zugrunde gelegt worden. Ein besonderer Umstand des Einzelfalles, wonach dieser Wert unbillig sei, sei nicht gegeben. § 30 Abs. 2 RVG diene nicht dazu, den Gegenstandswert von Untätigkeitsklagen generell herabzusetzen, weil man diesen für zu hoch halte. Dazu müsste das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geändert werden.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 165, 151 VwGO zulässige Kostenerinnerung ist begründet.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, Beschl. v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845, juris Rn 10 m.w.N.). Diese erging mit Urt. v. 8.2.2016 durch den gem. § 76 Abs. 1 AsylG zuständigen Einzelrichter.
Der für die Kostenfestsetzung zugrunde zu legende Gegenstandswert wird gem. § 33 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 RVG auf 4.500,00 EUR festgesetzt. Entsprechend ist auch der Kostenfestsetzungsbeschluss antragsgemäß zu ändern.
Zwar ist der Gegenstandswert selbst grds. nicht Inhalt, sondern vielmehr Maßstab und Voraussetzung der Kostenfestsetzung (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11), sodass der Urkundsbeamte bei asylrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig auch den Gegenstandswert nach § 30 Abs. 1 RVG zugrunde legen kann. Dies gilt aber nur solange, wie keiner der Beteiligten gem. § 33 Abs. 1 u. 2 RVG einen Antrag auf (nach § 30 Abs. 2 RVG abweichende) Wertfestsetzung stellt. Ein solcher Antrag wurde von der Antragstellerin vorliegend ausdrücklich gestellt.
In gerichtlichen Verfahren nach dem AsylG erfolgt die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren im Kostenerstattungsverfahren auf der Grundlage des Gegenstandswerts (§ 30 Abs. 1 RVG). Gem. § 30 Abs. 1 S. 1 u. 2 RVG beträgt der Gegenstandswert im vorliegenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren der hiesigen fünf Kläger nach dem AsylG 9.000,00 EUR.
Das Gericht kann allerdings nach § 30 Abs. 2 RVG einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Im vorliegenden Fall sieht das Gericht den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 S. 1 u. 2 RVG i.H.v. 9.000,00 EUR für unbillig an, weil beantragtes Ziel des Klageverfahrens im zu entscheidenden Hauptantrag (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung der Asylverfahren war. Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für den Kläger noch vom Aufwand für den Klägerbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-)Entscheidung durch das Gericht. Während eine Klage auf Sachentscheidung grds. noch weiteren Sachvortrag ermöglicht und ggfs. auch erfordert, fällt der Aufwand für den Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall deutlich geringer aus. Denn ein auf reine Durchführung eines Asylverfahrens unter Entscheidung des Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschränktes Begehren erfordert keine für asylrechtliche Streitigkeiten kennzeichnende Bearbeitung; hinreichend ist die Darlegung des Zeitpunktes der Asylantragstellung, das Abwarten der Mindestfrist des § 75 S. 2 VwGO und das Vorbringen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe über den Asylantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.7.2018 – 1 C 18.17, juris Rn 5 f.). Dass eine derartige Fallkonstellation von der grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der verschiedenen möglichen Ve...