FamFG §§ 113 Abs. 1, 150 Abs. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO § 269 Abs. 3 S. 3
Leitsatz
- Bei Rücknahme des Scheidungsantrages vor Rechtshängigkeit entfällt eine Kostenentscheidung nach § 150 Abs. 2 S. 1 FamFG, weil zwischen den Beteiligten ein Verfahrensrechtsverhältnis nicht begründet worden ist.
- Der Grundsatz des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 150 Abs. 1 FamFG in Scheidungssachen nicht anzuwenden.
OLG Celle, Beschl. v. 23.3.2020 – 10 WF 36/20
1 Sachverhalt
Das AG hat die Kosten des vorliegenden Scheidungsverfahrens durch Beschl. v. 6.3.2020 gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 ZPO der Antragstellerin auferlegt, nachdem diese ihren Scheidungsantrag zurückgenommen hat. Zudem hat es den Verfahrenswert auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Dagegen hat die Antragstellerin form- und fristgerecht sowie mit der erforderlichen Mindestbeschwer sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die ihrerseits erklärte, Antragsrücknahme sei nicht wirksam, weil sie vom Antragsgegner dazu gedrängt worden sei, den Scheidungsantrag zurückzunehmen.
Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Das Rechtsmittel hat teilweise nach Maßgabe des Tenors Erfolg.
Zwar trägt die Beschwerdebegründung die Aufhebung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung nicht. Insoweit wird auf die uneingeschränkt zutreffenden Ausführungen der amtsgerichtlichen Nichtabhilfeentscheidung Bezug genommen. Gleichwohl hätte die angefochtene Kostenentscheidung nicht ergehen dürfen:
Die Kostenentscheidung richtet sich hier nicht nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen mangels Kostenantrages und VKH-Bewilligung für den Antragsgegner ohnehin nicht vorliegen. Maßgeblich ist § 150 Abs. 2 FamFG, der die über § 113 Abs. 1 FamFG anwendbaren Kostennormen der ZPO verdrängt (vgl. MüKo-FamFG/Henjes, 3. Aufl., 2018, FamFG § 150 Rn 2; Haußleitner/Eickelmann, FamFG, 2. Aufl., 2017, § 150 Rn 9). Allerdings setzt die Anwendung von § 150 Abs. 2 FamFG Rechtshängigkeit, d.h. die Zustellung des Scheidungsantrages, voraus. Wird der Antrag vorher zurückgenommen, fehlt es an einem begründeten Verfahrensrechtsverhältnis. § 150 FamFG regelt lediglich den Inhalt der Kostenentscheidung, soweit ein solches begründet wurde. Demgemäß entfällt bei Rücknahme des Scheidungsantrages vor Rechtshängigkeit eine Kostenentscheidung. Dem steht auch nicht § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO entgegen, der als Sonderregelung den Fall der Erledigung vor Rechtshängigkeit im Fall einer Rücknahme eines durch den Antragsgegner veranlassten Antrags betrifft; nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 150 Abs. 1 FamFG ist dieser Grundsatz in Scheidungssachen nicht anzuwenden (vgl. jeweils m.w.N. Musielak/Borth/Borth/Grandel, 6. Aufl., 2018, FamFG § 150 Rn 5; BeckOK FamFG/Weber, 33. Ed. 1.1.2020, FamFG § 150 Rn 11).
Die Zustellung des Scheidungsantrages an den Antragsgegner ist bislang nicht erfolgt, sondern ausweislich des Rückläufers der Post mangels korrekter Anschrift gescheitert.
Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war daher ersatzlos aufzuheben.
Der vom AG festgesetzte Verfahrenswert ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 FamGKG, § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 269 Abs. 5, 92 ZPO. Der Geschäftswert für die Festsetzung der Anwaltsgebühren dürfte mit bis zu 1.000,00 EUR zu bemessen sein.
AGS 11/2020, S. 534