RVG §§ 16 Nr. 5, 18 Abs. 1 Nr. 3; VwGO § 80 Abs. 5 u. 7,
Leitsatz
Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann die Rechtsanwaltsvergütung nicht aus der für ihn günstigeren Kostengrundentscheidung gegen den Verfahrensgegner festsetzen lassen, wenn ein gem. § 80 Abs. 5 VwGO ergangener Beschluss im Verfahren nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO geändert worden ist.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.8.2020 – OVG 3 K 185.19
1 Sachverhalt
Die anwaltlich vertretene Erinnerungsführerin hat im Verfahren VG 5 L 559/14 um vorläufigen Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO nachgesucht, dem das VG stattgab. Das OVG hat die erstinstanzliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren OVG 9 S 44.14 zu Lasten der Erinnerungsführerin geändert und ihr die Verfahrenskosten für beide Rechtszüge auferlegt. Auf Antrag des ebenfalls anwaltlich vertretenen Erinnerungsgegners wurden die von der Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten für das Verfahren VG 5 L 559/14 und das Verfahren OVG 9 S 44.14 festgesetzt.
Ein Antrag der anwaltlich vertretenen Erinnerungsführerin nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO blieb vor dem VG ohne Erfolg (VG 5 L 964/15). Im hiergegen gerichteten Beschwerdeverfahren OVG 9 S 14.16 hatte die Erinnerungsführerin hingegen teilweise Erfolg; die Kosten des erstinstanzlichen Abänderungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wurden ihr jeweils zu 1/3, dem ebenfalls anwaltlich vertretenen Erinnerungsgegner zu 2/3 auferlegt. Den auf das Änderungsverfahren bezogenen Kostenfestsetzungsantrag der Erinnerungsführerin, mit dem sie außergerichtliche Kosten und Auslagen für die Verfahren VG 5 L 964/15 und OVG 9 S 14.16 in Ansatz brachte, lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ab. Die hiergegen gerichtete Erinnerung wies das VG unter Hinweis auf § 16 Nr. 5 RVG zurück. Trotz unterschiedlicher Kostengrundentscheidungen seien das Anordnungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und das nachfolgende Abänderungsverfahren gem. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO einschließlich der Beschwerden gebührenrechtlich als dieselbe Angelegenheit zu verstehen. Danach komme es hinsichtlich der Kostenerstattung allein auf die Kostengrundentscheidung im Anordnungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO an.
2 Aus den Gründen
Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Die von der Erinnerungsführerin beantragte Kostenfestsetzung hätte nicht abgelehnt werden dürfen, soweit sie das Beschwerdeverfahren OVG 9 S 14.16 betrifft. Diese Beschwerde gegen die im Verfahren nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO ergangene erstinstanzliche Entscheidung und die Beschwerde OVG 9 S 44.14 im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen entgegen der Auffassung des VG gebührenrechtlich nicht dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 16 Nr. 5 RVG dar. Nach der Rspr. des Senats bezieht sich § 16 Nr. 5 RVG nur auf das erstinstanzliche Verfahren über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO und ein nachfolgendes erstinstanzliches Abänderungsverfahren i.S.v. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO. Nur insoweit kann ein Rechtsanwalt im Verfahren nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO nicht erneut Gebühren verlangen, weil diese bereits mit den im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO angefallenen Gebühren abgegolten sind. Demgegenüber stellt die Beschwerde gegen eine nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO ergangene Entscheidung gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG kostenrechtlich eine selbstständige Angelegenheit dar. Für die gebührenrechtliche "Verklammerung" einer solchen Beschwerde mit der zuvor im Anordnungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO durchgeführten Beschwerde fehlt eine rechtliche Grundlage (vgl. dazu im Einzelnen OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.5.2019 – OVG 3 K 32.18).
2. Soweit die Erinnerungsführerin darüber hinaus auch Kostenfestsetzung für das erstinstanzliche Abänderungsverfahren (VG 5 L 964/15) unter Berufung auf die dort ergangene Kostengrundentscheidung begehrt, weil diese für sie günstiger sei als die zuvor im Verfahren VG 5 L 559/14 gem. § 80 Abs. 5 VwGO ergangene Kostenentscheidung, hat die Beschwerde keinen Erfolg. Anders als die Beschwerde meint, kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter die Rechtsanwaltsvergütung nicht aus der für ihn günstigeren Kostengrundentscheidung gegen den Verfahrensgegner festsetzen lassen, wenn ein gem. § 80 Abs. 5 VwGO ergangener Beschluss im Verfahren nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO geändert worden ist (ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 12.2.2018 – 5 B 19/17.A, juris Rn 6 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 13.7.2018 – 13 B 275/18.A, juris Rn 7 ff. [= AGS 2018, 433]; offen gelassen VGH München, Beschl. v. 5.9.2019 – 7 C 18.10064, juris Rn 7).
Ein derartiges "Wahlrecht", für das zudem die erforderliche gesetzliche Grundlage fehlt, widerspricht dem Sinn und Zweck des § 16 Nr. 5 RVG, der das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und das sich anschließende Verfahren gem. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO kostenrechtlich als dieselbe Angelegenheit begreift. Kann ein Rechtsanwalt für das Abänderungsverfahren des § 80 Abs. 7 VwGO grds. keine weitere Vergütung erhalten, ist die Kostenfestsetzung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO auf der Grundlage der dort ergangenen...