Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 42 VwGO) statthaft.

Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Gem. § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO hat er die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf die Rechtsauffassung der Kammer hinweisen und über den Inhalt seiner Berufspflichten belehren; er kann ihm auch aufgeben, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangene belehrende Hinweise bzw. missbilligende Belehrungen bei berufsrechtswidrigem Verhalten des Rechtsanwalts sind als in dessen Rechtsstellung eingreifende Verwaltungsakte anzusehen. Erteilt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie anfechtbar (BGH, Beschl. v. 25.11.2002 – AnwZ (B) 41/02, BGHZ 153, 61, 62 f.; Urteile v. 2.7.2018 – AnwZ (Brfg) 24/17, Rn 11; v. 18.7.2016 – AnwZ (Brfg) 22/15, juris Rn 10; v. 26.10.2015 – AnwZ (Brfg) 25/15, juris Rn 9; v. 6.7.2015 – AnwZ (Brfg) 24/14, Rn 11 und v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn 5).

Als Gesichtspunkte, die im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Auslegung für das Vorliegen eines belehrenden Hinweises bzw. einer missbilligenden Belehrung sprechen, hat der BGH insbesondere angesehen, dass der Bescheid der Rechtsanwaltskammer mit einer Entscheidungsformel versehen ist und in dieser – oder sonst im Bescheid – die Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens festgestellt und ein konkretes Verbot ausgesprochen wird und der Bescheid insgesamt erkennen lässt, dass die Rechtsanwaltskammer sich bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat. Darüber hinaus spricht es nach der Rspr. des BGH für das Vorliegen eines Verwaltungsakts, wenn der Bescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und dem Rechtsanwalt förmlich zugestellt worden ist (BGH, Urteile v. 3.7.2017 – AnwZ (Brfg) 45/15 – Rn 21; v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, Rn 10 und v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, jeweils juris m.w.N.).

Bei den verfahrensgegenständlichen Schreiben der Beklagten vom 23.9.2015 und vom 31.3.2016 handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 32 Abs. 1 S. 1 BRAO, § 35 S. 1 VwVfG) in Gestalt eines belehrenden Hinweises bzw. einer missbilligenden Belehrung.

Die beiden Schreiben der Beklagten sind zwar nicht ausdrücklich als "missbilligende" Belehrung bezeichnet. Ihr Inhalt entspricht aber dem, was eine missbilligende von einer einfachen Belehrung bzw. einem präventiven Hinweis unterscheidet. Die Schreiben der Beklagten gehen nach ihrem bei der Auslegung maßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts über eine einfache Belehrung bzw. einen präventiven Hinweis hinaus. Solche auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 BRAO ergangenen belehrenden Hinweise bzw. missbilligenden Belehrungen sind namentlich dann, wenn sie ein Handlungsverbot oder ein Handlungs- oder Unterlassungsgebot aussprechen, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, Rn 7; v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, NJW 2017, 407 Rn 10, 12; jeweils m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ausgehend handelt es sich bei den im vorliegenden Fall zu beurteilenden Schreiben der Beklagten um einen belehrenden Hinweis.

In dem Ausspruch eines konkreten Handlungsverbots oder -gebots oder eines konkreten Unterlassungsgebots liegt grds. der Kern einer über eine einfache Belehrung bzw. einen präventiven Hinweis ohne Regelungscharakter hinausgehenden "verbindlichen Regelung der aufgeworfenen Fragen" i.S.d. Rspr. des Bundesgerichtshofs, auf die sich die Rechtsanwaltskammer festgelegt haben muss, damit vom Vorliegen eines Verwaltungsakts ausgegangen werden kann.

In den Schreiben nimmt die Beklagte zu § 50 Abs. 3 BRAO a.F. abschließend Stellung und bewertet die Zurückbehaltung der Vollstreckungstitel als unzulässig. Der Inhalt der Schreiben macht deutlich, dass sich die Beklagte bereits auf eine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Frage festgelegt hat. Auch ist das Schreiben vom 31.3.2016 mit einer förmlichen – wenngleich unzutreffenden – Rechtsmittelbelehrung versehen und dem Kläger zugestellt worden. Es handelt sich mithin um einen Verwaltungsakt (vgl. BGH, Urteile v. 3.7.2017 – AnwZ (Brfg) 45/15, NJW 2017, 2556 Rn 18 ff. m.w.N. und v. 29.1.2018 – AnwZ (Brfg) 32/17, juris Rn 4 f).

Die Klage ist zudem zulässig. Die Klagefrist (§ 112c Abs. 1 S. 1 BRAO i.V.m. § 74 Abs. 1 VwGO) ist...

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