RVG VV Nr. 4141; StPO § 206a Abs. 1
Leitsatz
Der Hinweis auf den Tod des Mandanten und das damit verbundene Verfahrenshindernis ist eine geeignete Mitwirkungshandlung, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV zu verdienen
LG Leipzig, Beschl. v. 19.6.2020 – 2 Qs 8/20 jug
1 Sachverhalt
Der vormalige Angeklagte wurde mit Urteil des AG wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil legte sein Pflichtverteidiger fristgerecht ein unbezeichnetes Rechtsmittel ein, das im Weiteren nicht weiter konkretisiert wurde und das, da nach dem Inhalt der gesetzlichen Frist keine Revisionsbegründung eingegangen ist, als Berufung zu behandeln ist.
Nachdem die Akten beim LG eingegangen waren, hat der Vorsitzende in Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung verfügt, die bereits beim AG gehörten Zeugen in ForumStar aufzunehmen.
Zwischenzeitlich verstarb der Angeklagte. Der Pflichtverteidiger teilte dies dem Gericht unter Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde mit und beantragte zugleich die Einstellung des Verfahrens gem. § 206a Abs. 1 StPO.
Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Pflichtverteidiger die Festsetzung seiner Kosten u.a. auch einer Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV für eine anwaltliche Mitwirkung an der Entbehrlichkeit der Berufungshauptverhandlung. Die Rechtspflegerin des AG hat diese Gebühr abgesetzt
Dagegen hat der Pflichtverteidiger sofortige Beschwerde eingelegt und weiterhin die Festsetzung der Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV begehrt. Nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin half die Rechtspflegerin der als Erinnerung zu behandelnden sofortigen Beschwerde aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht ab und legte die Sache der Richterin am AG zur Entscheidung über die Erinnerung vor. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die zuständige Richterin des AG der Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass das Verfahren nicht aufgrund anwaltlicher Mitwirkung, sondern nur deshalb endgültig eingestellt worden sei, weil der Angeklagte verstorben sei. Der Tod des Angeklagten habe das weitere Verfahren verhindert und dessen Einstellung bewirkt, ohne dass hierfür ein Antrag des Pflichtverteidigers erforderlich gewesen wäre. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Pflichtverteidiger mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er an seinem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang festhält.
2 Aus den Gründen
Das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist gem. § 300 StPO als Beschwerde auszulegen. Die Beschwerde ist gern. § 56 Abs. 2 S. 1 2. Alt. RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig.
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, sie ist begründet. Der Pflichtverteidiger hat vorliegend auch die Gebühr nach Nr. 4141 VV verdient, indem er das Gericht unverzüglich vom Tod seines Mandanten in Kenntnis gesetzt hat. Für die Beurteilung, inwieweit eine Gebühr nach Nr. 4141 VV zu erstatten ist, kommt es allein darauf an, ob ein Beitrag eines Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VV entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, wobei eine entsprechende verfahrensfördernde Tätigkeit des Verteidigers ersichtlich sein muss. An das Maß der Mitwirkung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (BGH, Urt. v. 18.9.2008 – IX ZR 174/07). Weitergehende Anforderungen an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwändigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.3.2010 – 2 Ws 29/10 [= AGS 2010, 292]). Aus dem Normzweck folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Hauptverhandlung generell vermieden wird, sondern dass ohne das verfahrensbeendende Ereignis eine Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden müssen (BeckOK RVG/Knaudt, 47. Ed 1.3.2020, Nr. 4141 Rn 9).
Der Hinweis des Verteidigers auf den Tod seines Mandanten und das damit verbundene Verfahrenshindernis ist durchaus eine geeignete Mitwirkungstätigkeit, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV zu verdienen. Verstirbt der Angeklagte und teilt der Verteidiger dies dem Gericht mit und wird das Verfahren nach § 206a StPO endgültig eingestellt, so ist diese Handlung ursächlich dafür, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird, soweit das Gericht nicht anderweitig von dem Tod des Angeklagten bereits erfahren hat (AG Magdeburg, Beschl. v. 3.7.2000 – 2 Ls 257 Js 38867/98; juris, Literaturnachweis zu Burhoff, RVGreport 2014, 71–72).
Vorliegend hat der Pflichtverteidiger die Anforderu...