§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO
Leitsatz
- Zur Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines nicht am Prozessort und auch nicht am Sitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten.
- War die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten einer Partei i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO notwendig, können die zu erstattenden Kosten bei der Vertretung der Partei vor dem Gericht an ihrem Sitz nicht auf die fiktiven (Reise-)Kosten eines Anwalts begrenzt werden, dessen Kanzleisitz an dem von dem Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes liegt. Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO verlangt im Falle der notwendigen Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war oder auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte erfolgen können (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 25.10.2011 – VIII ZB 93/10, RVGreport 2012, 112 [Hansens]).
BGH, Beschl. v. 14.9.2021 – VIII ZB 85/20
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte die beklagte Leasing-Gesellschaft an ihrem Sitz in München vor dem LG München I auf Rückabwicklung eines Leasings-Vertrags in Anspruch genommen. Die Beklagte beauftragte mit ihrer Vertretung in diesem Rechtsstreit eine in Köln ansässige Rechtsanwaltskanzlei. Zu dem vom LG München I angesetzten Verhandlungstermin reiste einer der Kölner Prozessbevollmächtigten der Beklagten an, wofür Terminsreisekosten i.H.v. 289,59 EUR angefallen sind. Die Einschaltung der Kölner Rechtsanwaltskanzlei hatte die Beklagte damit begründet, diese sei auf das Leasingrecht spezialisiert.
Das LG München I hat die Klage des Klägers abgewiesen und diesem die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Aufgrund dieser Kostenentscheidung machte die zum Vorsteuerabzug berechtigte Beklagte neben den sonstigen Gebühren und Auslagen ihrer Kölner Prozessbevollmächtigten für die erste Instanz die bereits erwähnten Terminsreisekosten i.H.v. 289,59 EUR geltend. Der Rechtspfleger des LG hat als Terminsreisekosten lediglich Fahrtkosten i.H.v. 19,80 EUR und ein Tagegeld i.H.v. 25,00 EUR festgesetzt und den weitergehenden Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten abgewiesen. Diese Kosten entsprechen den vom Rechtspfleger errechneten fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts, dessen Kanzleisitz an dem von dem Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes liegt.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG München (JurBüro 2021, 32 = Rpfleger 2021, 251) zurückgewiesen. Dies hat das OLG damit begründet, die Beklagte könne sich zwar für die Erstattungsfähigkeit der Kosten ihrer Kölner Prozessbevollmächtigten auf den Ausnahmefall des § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO berufen. Jedoch könnten deren Reisekosten nur i.H.d. Kosten eines fiktiven Anwalts erstattet verlangt werden, dessen fiktiver Kanzleisitz an dem vom Gerichtsgebäude am weitest entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks liege.
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte beim BGH Erfolg.
II. Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei – das war hier der Kläger – die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei grds. zu erstatten. Einschränkungen macht Hs. 2 dieser Vorschrift für Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht – wie hier – in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen bzw. wohnhaft ist. In diesem Fall sind Reisekosten nur insoweit erstattungsfähig als Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
2. Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO
a) Allgemeine Grundsätze
Bei der Beurteilung der Frage, ob die zur Festsetzung angemeldeten Anwaltskosten (hier Terminsreisekosten) notwendig waren, kommt es nach der ständigen Rspr. des BGH darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die kostenauslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte (BGH AnwBl. 2005, 792 = RVGreport 2005, 476 [Hansens], BGH RVGreport 2013, 67 [Ders.] = JurBüro 2013, 201; BGH AnwBl. 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH AnwBl. 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Die Partei ist dabei lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH RVGreport 2013, 67 [Hansens] = JurBüro 2013, 201; BGH AnwBl. 2018, 620 = JurBüro 2018, 255). Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann – so fährt der BGH fort – unter Umständen auch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts als notwendig anzuerkennen sein.
b) Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten grds. nicht notwendig
Die Einschaltung eines auswärtigen Rechtsanwalts ist nach der st. Rspr. de...