Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis zutreffend, nicht jedoch in ihrer Begründung.
1. Kein Ersatzanspruch
Der BGH geht davon aus, dass es sich bei dem Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter Gerichtskosten um einen Ersatzanspruch i.S.d. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG handele. Ausgehend hiervon unternimmt er dann "Klimmzüge", um die daraus zwingend folgende Konsequenz des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG, nämlich des Quotenvorrechts, auszuschließen.
Dies ist vom Ansatz und in der Begründung unzutreffend. In der Sache handelt es sich nämlich nicht um einen Ersatzanspruch.
Wenn es sich aber um einen Ersatzanspruch handeln würde, dann wäre zwingend auch das Quotenvorrecht anzuwenden. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG knüpft an § 86 Abs. 1 S. 1 VVG an und lässt keinen Spielraum.
Der Fehler des BGH liegt darin, dass er hier einen Ersatzanspruch angenommen hat.
Insoweit ist dem BGH allerdings dieser Fehler nachzusehen, da auch in der Kommentierung zu den ARB der Begriff des Ersatzanspruchs verkannt und ohne Not ausgeweitet wird.
Um einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten handelt es sich nur dann, wenn der Dritte – wie der Name schon sagt – auf Ersatz des Schadens haftet. Damit sind im Rahmen der Rechtsschutzversicherung materiell-rechtliche Kostenersatzansprüche und prozessuale Kostenerstattungsansprüche gemeint. Ein solcher materiell-rechtlicher oder prozessualer Kostenerstattungsanspruch liegt hier jedoch nicht zugrunde. Der Anspruch gegen die Gerichtskasse auf Rückzahlung nicht verbrauchter Gerichtskosten ist vielmehr ein einfacher Erstattungsanspruch, der nicht auf Schadensersatz o.ä. beruht, sondern lediglich darauf, dass zu viel gezahlt worden ist und die Überzahlung nunmehr zurückgewährt werden muss.
Es verhält sich nicht anders, als bei anderen Überzahlungen.
Beispiel
Der Anwalt rechnet nach dem gem. § 63 Abs. 1 GKG vorläufig festgesetzten Streitwert von 10.000,00 EUR einen Vorschuss ab und vereinnahmt diesen. Später wird der Streitwert gem. § 63 Abs. 2 GKG endgültig auf 7.000,00 EUR festgesetzt.
Es ergibt sich damit ein einfacher schuldrechtlicher Rückzahlungsanspruch, weil der Anwalt schlichtweg – ohne Verschulden – einen zu hohen Vorschuss angefordert und vereinnahmt hat. Insoweit handelt es sich nicht um einen Ersatzanspruch. Auf welchen Schadensersatz oder sonstigen Ersatz soll der Anwalt haften? Es liegt damit folglich nur ein einfacher schuldrechtlicher Zahlungsanspruch vor, der nichts mit § 86 Abs. 1 S. 1 VVG zu tun hat.
Folglich tritt auch kein Übergang der Forderung nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG an und folglich kann konsequenterweise daran auch kein Quotenvorrecht geltend gemacht werden.
2. Anspruchsübergang nach § 17 Abs. 9 ARB
Der Übergang des Anspruchs hat sich hier vielmehr nach § 17 Abs. 9 ARB vollzogen, was in Entscheidung des BGH ja auch ansatzweise anklingt.
Einfache rechtliche Erstattungsansprüche gehen mit ihrem Entstehen kraft ARB auf den Versicherer über.
Zu diesem Anspruchsübergang gibt es kein Quotenvorrecht. Der Anspruch geht vollständig auf den Versicherer über.
Insoweit sind auch die Ausführungen des BGH unzutreffend, dass der Anspruch nach § 667 BGB des Mandanten gegen seinen Anwalt auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen ist. Einen solchen Anspruch hatte der Mandant hier nämlich gar nicht (mehr). Mit Beendigung des Verfahrens – hier Abschluss des Vergleichs – hatte sich die Gerichtskostenschuld reduziert, sodass sich ein Erstattungsanspruch der Partei ergab. Dieser Anspruch ist aber im Moment seines Entstehens gem. § 17 Abs. 9 ARB 2010 auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen. Die nicht verbrauchten Gerichtskosten standen also dem Rechtsschutzversicherer zu. Als diese Gerichtskosten dann an den Anwalt ausgezahlt worden sind, konnte dem Mandanten gar kein Anspruch nach § 667 BGB mehr zustehen, weil ihm ja auch die Gerichtskosten gar nicht zustanden, sondern dem Rechtsschutzversicherer. S. insoweit die Entscheidung des AG Lingen (AGS 2021, 476), der uneingeschränkt zuzustimmen ist.
Mit Auszahlung der Gerichtskosten an den Anwalt, was gem. § 29 Abs. 4 KostVfG zutreffend war, ist der Anspruch des Versicherers gegen die Gerichtskasse untergegangen und im gleichen Atemzug einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Anwalt entstanden.
Faktisch hat der Anwalt hier Fremdgeld eingezogen, das dem Versicherer zustand. Folglich muss er dieses Fremdgeld auch unmittelbar an den Versicherer auszahlen.
3. Keine Aufrechnung
Da zwischen Anwalt und Rechtsschutzversicherer keine vertragliche Beziehung bestehen, konnte der Anwalt hier auch keine Aufrechnung erklären. Insoweit ist die Entscheidung des BGH wiederum zutreffend.
Der Anwalt hätte das Geld auch nicht mehr an den Mandanten auszahlen dürfen, da es Fremdgeld des Versicherers war.
4. Aufrechnung bei Auszahlung an den Mandanten
Anders hätte es sich verhalten, wenn die Gerichtskasse die nicht verbrauchten Gerichtskosten nicht an den Anwalt ausgezahlt hätte, sondern unmittelbar an den Versicherungsnehmer. In diesem Fall hätte sich ein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch des ...