Ein Hauptverständnisproblem zwischen Rechtsuchendem, Gericht und Beratungsperson bildet das Verständnis um das Vorliegen anderweitiger Hilfemöglichkeiten. Das Gericht ist gezwungen, das Vorliegen anderer Hilfen zu prüfen. Der Rechtsuchende hingegen wünscht sich nicht selten explizit die Beratung durch "seinen" Rechtsanwalt. Und der Rechtsanwalt selbst arbeitet nur ungern, sollte er "hinterher" seinen Vergütungsanspruch aberkannt bekommen, weil das Gericht das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen ablehnt. Nach höchstrichterlicher Rspr. ist es aber angemessen und nicht zu beanstanden, "den Anspruch auf Beratungshilfe vom Vorliegen einschränkender Voraussetzungen abhängig zu machen".
Soweit das Beratungshilfegesetz (BerHG) also den Anspruch auf Beratungshilfe vom Vorliegen einschränkender Voraussetzungen abhängig macht, hält dies den Anforderungen einer Angemessenheitskontrolle stand. Insbesondere dürfe der Rechtsuchende zunächst auf zumutbare andere Möglichkeiten für eine fachkundige Hilfe bei der Rechtswahrnehmung verwiesen werden. Das BerHG selbst ist in seiner Formulierung auch subsidiär ausgestaltet. Nur dann, wenn keine anderweitigen Hilfen vorliegen, kommt Beratungshilfe überhaupt in Betracht. Ein Wahlrecht zwischen dem eigenen Anwalt oder der vorhandenen anderweitigen Hilfe existiert folglich – sieht man von einzelnen Landesspezifika einmal ab – nicht.
Diskussionswürdig ist daher stets nur die Frage, ob eine andere Hilfe überhaupt vorliegt und ob deren Inanspruchnahme zumutbar ist. Beratungshilfe kann nach dem Gesetzeswortlaut einschränkend nur dann gewährt werden, wenn keine anderweitigen Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die dem Ratsuchenden zuzumuten sind. Schaich führt zu den anderweitigen Hilfsmöglichkeiten wie folgt aus:
Zitat
"Von der Auslegung dieser Klausel wird es entscheidend abhängen, ob das Gesetz die Erwartungen erfüllt, die seine Väter in es setzten, mit anderen Worten: Ob die Emanzipation der Minderbemittelten auf dem Gebiete der außergerichtlichen Rechtsberatung und -vertretung Wirklichkeit wird."
In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Frage der Zumutbarkeit – je nach Perspektive – unterschiedlich beantwortet wird, aber auch nicht vergessen werden darf, dass sich die Welt und damit auch ein Vorhandensein anderer Hilfen im Wandel befindet. Andere Hilfen können früher geeignet gewesen sein, heutzutage aber wegen Überlastung oder schlicht wegen Beendigung des Angebots nicht mehr verfügbar sein. Auf der anderen Seite bleibt es ebenfalls denkbar, dass in Bereichen, in denen bislang keine Hilfen bestanden, aufgrund geänderter Vorzeichen nur ein Füllhorn anderer Optionen denkbar wird.
Voraussetzung, dass eine anderweitige Hilfe überhaupt in Betracht zu ziehen ist, ist, dass die zur Verfügung stehende Hilfe geeignet und erlaubt ist. Eignung ("geeignete anderweitige Hilfsmöglichkeit") setzt "fachliche Kompetenz" voraus, aber vor allem die Zulässigkeit der rechtsbesorgenden Tätigkeit. Daneben müssen anderweitige Hilfen stets zumutbar sein. Hierbei ist nicht eine pauschale Betrachtung angezeigt, sondern eine individuelle, stets auf den Einzelfall maßgebliche Betrachtung. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so ist die anderweitige Hilfe bevorzugt zu beanspruchen. Nachfolgend wollen wir – kurz – einige "klassische" anderweitige Hilfen betrachten und hier "Irrtümer" ausräumen bzw. aufzeigen, unter welchen Voraussetzungen Beratungshilfe dennoch beansprucht werden kann.
1. Jugendamt
a) Allgemeines
Der Verweis auf das Jugendamt bildet immer wieder einen Streitpunkt bei der Bearbeitung von Beratungshilfesachverhalten. Der Rechtsanwalt, der ggf. auch bereits in sonstigen familienrechtlichen Gesichtspunkten beratend und unterstützend tätig ist, möchte oder soll das Thema Unterhalt, Umgang und elterliche Sorge direkt mitabwickeln. Aus Sicht der Beteiligten erscheint dies "effizient", denn er ist ja eingearbeitet und ohnehin involviert. Aus Sicht der Gerichte und freilich der Staatskasse hingegen wird ein solcher Wunsch nur äußert selten geteilt, denn hier wird allzu oft auf das Vorliegen anderer Hilfen – sprich das Jugendamt – verwiesen. Was trifft nun zu?
b) Das Jugendamt als andere Hilfe
Nach §§ 2 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG ist das Jugendamt (ebenso wie z.B. die großen Wohlfahrtverbände der Kirchen) als Behörde zur Rechtsberatung im Rahmen der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben notwendigen Beratung befugt. Über das "erlaubt" bedarf es daher keiner weiteren Erörterung. Lediglich über das "hinreichend kompetent" und die "Zumutbarkeit" des Verweises bedarf es daher einer Erörterung. Häufig wird die Kompetenz des Jugendamtes durch den Antragsteller oder dessen Beratungsperson (die naturgemäß eine Liquidation erhalten möchte) bestritten. Die Mitarbeiter des Jugendamtes seien nicht ausreichend kompetent, heißt es, oder die Beratungsperson könne häufig ein höheres Maß an Wirkung erzielen. Ebenso wird häufig auf eine anwaltliche Vorbefassung hing...