Nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV entstehe – so das OLG – eine Gebühr mit Zuschlag, wenn sich der Beschuldigte "nicht auf freiem Fuß" befindet. Danach wurde die (frühere) Regelung des § 83 Abs. 3 BRAGO dem Grunde nach übernommen. Diese Regelung solle dem Umstand Rechnung tragen, dass die Inhaftierung oder Unterbringung des Mandanten für den Rechtsanwalt überwiegend zu einem erforderlichen zusätzlichen zeitlichen Mehraufwand für die erschwerte Kontaktaufnahme führe. Zudem solle unnötiger Streit im Festsetzungsverfahren darüber, ob der Gebührenrahmen der jeweiligen Gebühr ausreichend gewesen sei, worauf es nach der früheren Regelung in der BRAGO angekommen sei, vermieden werden. Ob tatsächlich Erschwernisse für den Verteidiger im konkreten Einzelfall entstehen, sei daher nach allgemeiner Auffassung ohne Belang (vgl. u.a. KG RVGreport 2008, 463 = RVGprof. 2008, 212 = NStZ-RR 2009, 31 = JurBüro 2009, 83 = StRR 2009, 156; OLG Stuttgart RVGprof. 2010, 169 = AGS 2010, 429 = RVGreport 2010, 388 3; OLG Jena NStZ-RR 2009, 224 [Ls.] = AGS 2009, 385; OLG Celle StraFo 2008, 443 = AGS 2008, 490; OLG Hamm, Beschl. v. 31.12.2007 – 1 Ws 790/07).
"Nicht auf freiem Fuß" befinde sich der Mandant nach den weiteren Ausführungen des OLG Karlsruhe, wenn er in einer Einrichtung des Strafvollzugs inhaftiert oder in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs untergebracht sei. Nach ganz überwiegender Auffassung sei in diesem Sinne inhaftiert auch der im offenen Vollzug befindliche Mandant (vgl. BeckOK RVG/Knaudt, 57. Ed. Stand 1.9.2022, RVG VV Vorbem. 4 Rn 64; Kremer, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10 Aufl., 2015, RVG [VV Vorbem. 4] Rn 41; KG StraFo 2007, 483 = RVGreport 2007, 462 = AGS 2007, 619 = StRR 2007, 359 = JurBüro 2007, 644; OLG Jena, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.). Es entspreche weiter allgemeiner Auffassung, dass der Haftzuschlag nicht zu gewähren sei, wenn sich der Mandant freiwillig in einer stationären Therapieeinrichtung befinde, obwohl er auch dort Einschränkungen in seiner Bewegungsfreiheit unterliegen kann (vgl. OLG Bamberg StRR 2007, 283 (Ls.) = RVGreport 2008, 225), denn diese Einschränkungen seien nicht staatlich veranlasst.
Die Frage, ob der Haftzuschlag dann zu gewähren sei, wenn ein Untergebrachter sich im Rahmen von Lockerungen in einem Übergangswohnheim oder im Rahmen einer extramuralen Belastungserprobung in einer externen betreuten Wohneinrichtung befinde, werde in der obergerichtlichen Rspr. – soweit ersichtlich – uneinheitlich beantwortet. Während das OLG Jena in seinem Beschl. v. 30.1.2009 (a.a.O.) einen Haftzuschlag bei Unterbringung des Mandanten in einem Übergangswohnheim zugebilligt habe, hätten das KG in der Entscheidung vom 29.8.2008 (RVGreport 2008, 463 = RVGprof. 2008, 212 = NStZ-RR 2009, 31 = JurBüro 2009, 83 = StRR 2009, 156) und das OLG Stuttgart in seinem Beschl. v. 20.7.2010 (a.a.O.) die Gewährung des Haftzuschlags im Falle eines in einer sozialpsychiatrisch betreuten Wohneinrichtung Untergebrachten abgelehnt, weil er dort keinen erheblichen Einschränkungen in seiner Bewegungsfreiheit unterliege. Auch das OLG Jena (a.a.O.) habe i.Ü. in seinem Beschluss die Gewährung des Haftzuschlags maßgeblich mit den in der konkreten Einrichtung bestehenden erheblichen Einschränkungen des Untergebrachten in seiner Bewegungsfreiheit begründet.
Das OLG schließt sich den Entscheidungen des KG (a.a.O.) und des OLG Stuttgart (a.a.O.) an, dass ein Haftzuschlag dann nicht zu gewähren ist, wenn der Mandant sich im maßgeblichen Zeitpunkt in einer externen betreuten Wohneinrichtung befindet, in der er – wie nach Auffassung des OLG hier – keinen maßgeblichen Einschränkungen in seiner Bewegungsfreiheit unterliegt. Der maßgebliche Unterschied zur Behandlung der Fälle des offenen Vollzugs liegt nach Auffassung des OLG darin, dass ein Untergebrachter, der sich im Rahmen einer extramuralen Belastungserprobung in einer externen offenen Wohneinrichtung befindet, dort in aller Regel in seiner Bewegungsfreiheit nur wenigen Einschränkungen unterliegt, weil im Rahmen einer solchen Belastungserprobung gerade ein Leben in weitgehender Freiheit, das den Untergebrachten im Falle einer Aussetzung der Maßregel erwartet, unter realen Bedingungen erprobt werden soll. Demgegenüber unterliege der Verurteilte, der sich im Rahmen von Vollzugslockerungen im offenen Strafvollzug befinde, dort sehr wohl erheblichen Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit. So müsse er sich etwa nach Ende seiner Arbeitszeit in der Regel unverzüglich zurück in die Justizvollzugsanstalt begeben und dürfe sich während der Arbeitszeit ohne ausdrückliche Genehmigung der Vollzugsanstalt nicht von seiner Arbeitsstätte entfernen. Ob ein Haftzuschlag ausnahmsweise dann zu gewähren sei, wenn der Untergebrachte in der externen Einrichtung wesentlichen Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unterworfen ist, brauchte das OLG nicht zu entscheiden.