1. Zutreffende Entscheidung
Die Entscheidung ist zutreffend. Sie entspricht der übrigen obergerichtlichen Rspr., die das OLG in seinem Beschluss anführt (vgl. zum Haftzuschlag allgemein Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 105 ff. m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, Vorb. 4 VV Rn 44 ff. m.w.N.). Zu Recht hat das OLG darauf hingewiesen, dass in den Fällen des "betreuten Wohnens" wegen der nicht oder nur leicht eingeschränkten Bewegungsfreiheit des Untergebrachten für den Verteidiger keine Erschwernisse entstehen, die die Anwendung der Vorbem. 4 Abs. 4 VV rechtfertigen würden. Nicht verkennen darf man allerdings, dass die überwiegende Auffassung der OLG ebenso wie die teilweise abweichende des OLG Jena (a.a.O.) zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann. Denn, was sind "maßgebliche Einschränkungen", die nach Auffassung des OLG einen Zuschlag rechtfertigen sollen? Die Beantwortung der Frage führt dann doch wieder zu einer "Einzelfallbetrachtung", die durch die Pauschalregelung in Vorbem. 4 Abs. 4 VV an sich vermieden werden sollte.
2. Dauer der Erschwernisse
Das LG hat in seiner Erinnerungsentscheidung für die Entstehung des Haftzuschlags bei der Verfahrensgebühr Nr. 4200 VV zu Recht darauf abgestellt, es komme nicht darauf an, dass der Beschuldigte/Verurteilte/Untergebrachte während des gesamten Verfahrensabschnitts "nicht auf freiem Fuß" war, sondern es genüge, wenn er innerhalb des Verfahrensabschnitts irgendwann nicht auf freiem Fuß gewesen ist (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.; u.a. OLG Celle StraFo 2008, 443 = AGS 2008, 490 = StRR 2009, 38 = NStZ-RR 2008, 392 = RVGreport 2009, 427; OLG Hamm StRR 2009, 39 = RVGreport 2009, 149; AG Heilbronn StraFo 2006, 516, StraFo 2008, 443). In dem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Verteidiger darauf achten muss, dass die Frage der Dauer der Pflichtverteidigerbestellung im Unterbringungsverfahren in der Rspr. nicht abschließend geklärt ist. Teilweise wird nämlich davon ausgegangen, dass die Beiordnung zum Pflichtverteidiger nur für das jeweilige Überprüfungsverfahren erfolgt (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 2286 f. m.w.N.). Der Verteidiger/Rechtsanwalt muss bzw. sollte im eigenen Interesse zur Sicherheit also jeweils in jedem neuen Überprüfungsabschnitt seine Beiordnung beantragen.
3. Offener Vollzug
Inzidenter hat das OLG schließlich die Frage mitentschieden, ob der (Haft-)Zuschlag der Vorbem. 4 Abs. 4 VV auch entsteht, wenn sich der Verurteilte im offenen Vollzug befindet. Diese Frage ist in der Rspr. umstritten, wird von der h.M. aber so wie vom OLG Karlsruhe gesehen (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 Rn 112).
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 11/2022, S. 510 - 512