Fest stehe, so das AG, dass gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG die Einlegung von Rechtsmitteln bei dem Gericht desselben Rechtszuges durch den Verteidiger, der in dem Rechtszug tätig war, mit der Verfahrensgebühr des 1. Rechtszugs abgegolten ist. Auch die Beratung über die Aussichten eines noch nicht eingelegten Rechtsmittels durch den Verurteilten oder anderer Verfahrensbeteiligter zähle noch zu dem 1. Rechtszug. Welche Handlungen des Verteidigers die Verfahrensgebühr hingegen nach Rechtsmitteleinlegung auslösen, lasse sich anhand der Bedeutung der Verfahrensgebühr ermitteln. Danach werde mit der Verfahrensgebühr jedes Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information abgegolten (Vorbem. 4 Abs. 2 VV). Ausschlaggebend sei daher, ob der Verteidiger entsprechende Handlungen durchgeführt habe. Die Gebühr erfasse damit nicht nur Rechtsmittelbegründungen, sondern bereits die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen das Rechtsmittelverfahren weiter durchgeführt werden solle (KG AGS 2009, 389 = RVGreport 2009, 346 = VRR 2009, 277 = StRR 2009, 399). Sei die Verfahrensgebühr dadurch entstanden, entfalle sie nicht dadurch, dass nach dem Ergebnis der Besprechung das Rechtsmittel zurückgenommen werde (KG, a.a.O.). Auch Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und/oder mit dem Gericht mit dem Ziel der Rücknahme der Berufung oder der Einleitung von Verständigungsgesprächen lösten die Verfahrensgebühr aus (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4124 Rn 8).
Davon zu unterscheiden sei der von der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme herangezogene Fall, den das LG Hannover zu entscheiden hatte (LG Hannover JurBüro 2014, 190 = Nds.Rpfl 2014, 216). In jenem Fall hat der Verteidiger die Berufung ausdrücklich vorsorglich eingelegt, um im Falle eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft vorbereitet zu sein und die Frist zu wahren. Ausdrücklich wurde dort bereits mitgeteilt, dass bei dem Ausbleiben eines solchen Rechtsmittels die Berufung zurückgenommen werden sollte. In diesem Fall hätten die entsprechenden Gespräche zwischen dem Verteidiger und dem dort Angeklagten bereits vor der Rechtsmitteleinlegung stattgefunden mit der Bedingung, dass im Falle, dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegt, der Verteidiger von vornherein beauftragt wurde, die Berufung zurückzunehmen. Insofern hätten die entscheidenden Gespräche bereits vor Berufungseinlegung stattgefunden und gehören damit mit zu den Gebühren des 1. Rechtszugs. Nachdem die Staatsanwaltschaft dort kein Rechtsmittel eingelegt hatte, waren weitere Gespräche zwischen dem Verteidiger und dem dort Angeklagten nicht mehr erforderlich, sodass eine Verfahrensgebühr nicht entstehen konnte.
Abweichend davon habe der Verteidiger des hiesigen Angeklagten bereits in der Berufungsschrift zwar mitgeteilt, dass er lediglich einen Hinweis erbat, ob ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft eingegangen ist. Darin liege aber noch nicht die Bedingung, das Rechtsmittel im Falle des Ausbleibens eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft zurückzunehmen. Ausdrücklich werde mitgeteilt, dass in dem Fall neu überdacht werden könne, wie mit dem Rechtsmittel verfahren werde. Darin liege gerade nicht die Ankündigung, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Denkbar wäre auch, die Berufung lediglich auf das Strafmaß zu beschränken. Explizit erklärt der Verteidiger in dem Schreiben vom 28.2.2021 darüber hinaus, dass er die Sache mit dem Angeklagten nochmals erörtert habe, mit dem Ergebnis, dass die Berufung zurückgenommen werden solle. Hier behaupte der Verteidiger explizit die Erörterung der Sache mit dem Angeklagten nach Berufungseinlegung, womit alleine dieses Gespräch die Verfahrensgebühr auslöse. Ob dieses Gespräch tatsächlich stattgefunden habe, habe das Gericht mangels anderweitiger Hinweise nicht zu prüfen (KG, a.a.O., zumindest dem Sinn nach; explizit LG Hannover, a.a.O.).