Vorbem. 4.1 VV RVG
Leitsatz
Für den nur für die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins bestellten Pflichtverteidiger entsteht nicht nur die Terminsgebühr. Es entstehen auch Grundgebühr und Verfahrensgebühr.
AG Tiergarten, Beschl. v. 14.10.2022 – (278 Ds) 265 Js 277/22 (110/22)
I. Sachverhalt
Dem Angeklagten wurde aufgrund eines Haftbefehls des AG antragsgemäß Rechtsanwalt R1 gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet. Aufgrund eines Haftprüfungsantrags des Verteidigers R1 beraumte das AG einen Haftprüfungstermin auf den 28.7.2022, 10.00 Uhr, an, welcher mit dem Verteidigerbüro abgesprochen worden war. Zu dem Haftprüfungstermin am 28.7.2022 erschien Rechtsanwalt R2, der erklärte, Rechtsanwalt R1 sei verhindert. Deshalb beantragte Rechtsanwalt R 2 seine Beiordnung für den Termin. Daraufhin bestellte das AG Rechtsanwalt R2 gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO für den Haftprüfungstermin am 28.7.2022 zum Pflichtverteidiger und ordnete zugleich an, dass die Beiordnung mit dem Termin ende. Eine Anordnung, wonach Gebühren und Auslagen nicht doppelt entstehen, erfolgte nicht, auch gab Rechtsanwalt R2. keine entsprechende Verzichtserklärung ab.
Im Rahmen des Haftprüfungstermins, dem gem. Vortrag des Verteidigers Rechtsanwalt R2 eine vorherige Akteneinsicht durch ihn vorangegangen war, beantragte Rechtsanwalt R2 die Aufhebung, hilfsweise die Außervollzugsetzung des Haftbefehls, begründete diesen Antrag mit mehreren Argumenten und überreichte eine Zustellungs- und Ladungsvollmacht für Rechtsanwalt R1. Das AG hat Haftfortdauer beschlossen.
Rechtsanwalt R2 beantragte sodann, die bei ihm entstandenen Gebühren und Auslagen festzusetzen. Im Einzelnen machte er die Grundgebühr gem. Nr. 4101 VV, die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4105 VV, die Terminsgebühr gem. Nr. 4103 VV sowie eine Postentgeltpauschale gem. Nr. 7002 VV zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim AG hat die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr sowie die Postentgeltpauschale zuzüglich der jeweils hierauf entfallenden Umsatzsteuer abgesetzt. Gegen diese Absetzung legte Rechtsanwalt R2 Erinnerung ein, die beim AG Erfolg hatte.
II. Terminsvertreter im Haftprüfungstermin verdient alle Gebühren
Das AG hat auch die Grundgebühr Nr. 4101 VV, die Verfahrensgebühr Nr. 4105 VV und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV festgesetzt. Zwar teile das Gericht die Auffassung, dass ein bloßer sogenannter "Terminsvertreter" im Rahmen eines Hauptverhandlungstermins für den Fall, dass der eigentliche originäre Verteidiger verhindert sei, in der Regel lediglich die Terminsgebühr geltend machen könne, nicht aber eine Grundgebühr sowie eine Verfahrensgebühr sowie eine Postentgeltpauschale nebst Umsatzsteuer. In der Praxis werde dies in aller Regel abgesichert durch eine entsprechende Verzichtserklärung des Terminsvertreters und eine entsprechende Einschränkung in dem ergehenden Beiordnungsbeschluss. Hier gehe es jedoch um die Wahrnehmung eines Haftprüfungstermins. Anders als bei einer meist auf einen Terminstag einer mehrtätigen Hauptverhandlung oder auch nur eine kurze Zeitspanne eines mehrstündigen Hauptverhandlungstermins beschränkten Vertretung des originären Verteidigers, bei welcher der Terminsvertreter in aller Regel lediglich mit einem sehr begrenzten Prozessstoff konfrontiert werde, ohne dass es einer gründlichen und umfassenden Einarbeitung in die Sache bedürfe, zumal essentielle Dinge in solchen lediglich mit einem Terminsvertreter besetzten Hauptverhandlungsterminen in der Praxis – in ausdrücklicher oder stillschweigender Übereinkunft mit den übrigen Verfahrensbeteiligten – in der Regel nicht erörtert werden, müsse der für einen Haftprüfungstermin beigeordnete Verteidiger den gesamten Akteninhalt beherrschen, um Stellung nehmen zu können sowohl zum Bestehen eines dringenden Tatverdachtes gegen den Mandanten als auch zum Vorliegen eines Haftgrundes (vgl. zutreffend LG Magdeburg AGS 2018, 340 = RVGreport 2018, 257 = StRR 5/2018, 24 = StraFo 2018, 314). Eine solche gründliche Einarbeitung in den Fall sei durch die Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV ersichtlich nicht abgegolten. Vielmehr sei für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall die Grundgebühr – hier mit Zuschlag gem. Nr. 4101 VV – und für die über die bloße Terminsteilnahme hinausgehende Tätigkeit im (Ermittlungs-)Verfahren – u.a. vorliegend die umfassende Akteneinsichtnahme – die Verfahrensgebühr – hier mit Zuschlag gem. Nr. 4105 VV – vorgesehen.
Das Gericht verkenne dabei nicht, dass die Beiordnung vorliegend auf entsprechenden Antrag des Rechtsanwalts R2 ausdrücklich lediglich für den Haftprüfungstermin und zeitlich auf diesen beschränkt erfolgte. Jedoch sei auch ein Pflichtverteidiger, der nur für einen Tag bzw. einen Termin bestellt sei, für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut, sodass auch angesichts der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als bloße Einzeltätigkeit – hier nach Nr. 4103 VV – nicht in Betracht komme (vgl. LG Magdeburg AGS 2021, 427).
III. Vermeiden von Missbrauch
Das AG ...