§§ 4, 8, 9 JVEG
Leitsatz
- Das Gericht ist gehalten, die vom Gerichtssachverständigen in Rechnung gestellte Vergütung einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Anlass zur Nachprüfung besteht insbesondere dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint.
- Um eine Prüfung der Vergütungsabrechnung zu ermöglichen, ist der Sachverständige verpflichtet, eine Aufschlüsselung der einzelnen Arbeitsabschnitte mit dem hierfür verbundenen Zeitaufwand vorzunehmen.
- Gibt das Gericht dem Sachverständigen im Rahmen der Prüfung der Vergütung auf, die mit den angesetzten Stunden verbundenen Arbeitsschritte näher zu konkretisieren, und kommt der Sachverständige dieser Auflage nicht nach, kann dies eine Kürzung der erstattungsfähigen Vergütung auf ein angemessenes Maß zur Folge haben.
OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2022 – 22 U 125/15
I. Sachverhalt
In dem anhängigen Berufungsverfahren hatte das OLG Hamm durch Beschl. v. 7.6.2018 Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten. Zum Sachverständigen hat das OLG den Antragsteller, Diplom-Ingenieur O, für den Bereich Entsorgung und Verwertung von Abfällen (Bodenaushub und Abbruchmaterial) bestellt. Daneben hatte der Senat drei weitere Sachverständige bestellt, nämlich Diplom-Geologe N für den Bereich Abbruch, Diplom-Ingenieur P für den Bereich Bodenschutz/Sanierung sowie Diplom-Geologe Q für die Koordination sämtlicher Sachverständiger. Die bestellten Sachverständigen haben ein gemeinsames schriftliches Sachverständigengutachten vorgelegt. Im Hinblick auf Einwendungen der Parteien haben sie unter dem 30.11.2021 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Ferner haben die Sachverständigen ihr Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 13.1.2022 mündlich erläutert.
Unter dem 18.1.2022 reichte der Antragsteller Diplom-Ingenieur O eine Honorarrechnung (Abschlagsrechnung) für seine Tätigkeiten im Zeitraum von September 2021 bis Januar 2022 ein. Darin stellte er u.a. einen Zeitaufwand von 21,5 Stunden für das "Aktenstudium aller zur Verfügung gestellter Unterlagen für Gerichtsverhandlung September 2021 – Januar 2022" zusammen und berechnete dafür ein Honorar i.H.v. insgesamt 5.206,25 EUR brutto. Die zuständige Kostenbeamtin wies nach Prüfung und Anhörung des Senats des OLG Hamm am 28.1.2022 einen Betrag i.H.v. 3.472,77 EUR an. Für das Aktenstudium setzte sie hierbei statt der in Rechnung gestellten 21,5 Stunden lediglich 9 Stunden an. Unter dem 10.2.2022 legte der Antragsteller Diplom-Ingenieur O gegen die Kürzung seiner Rechnung für die Position "Aktenstudium" "Widerspruch" ein. Hierzu machte er geltend, die abgerechneten Stunden seien tatsächlich erbracht und notwendig gewesen, um in der Verhandlung absolut verhandlungssicher zu sein. Der hierzu gehörte Vertreter der Landeskasse erhob gegen die von dem Antragsteller abgerechnete Stundenzahl keine Einwendungen.
Hieraufhin forderte der Vorsitzende des Senats den Antragsteller unter dem 11.5.2022 auf, hinsichtlich der angesetzten 21,5 Stunden für das "Aktenstudium" im Einzelnen unter Angabe der jeweiligen Zeitkontingente darzutun, welche erforderlichen abrechnungsfähigen Handlungen hierunter gefallen sein sollen. Eine Stellungnahme des Antragstellers hierzu erfolgte nicht.
II. Auslegung des "Widerspruchs"
Nach Auffassung des OLG Hamm war der von dem Antragsteller am 10.2.2022 erhobene "Widerspruch" als Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenvergütung nach § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG auszulegen. Dieser Antrag führte zur Festsetzung des bereits von der Kostenbeamtin angewiesenen Betrages i.H.v. 3.472,78 EUR. Ein höherer Betrag war nach Auffassung des OLG Hamm nicht gerechtfertigt.
III. Vergütungsanspruch des Sachverständigen
1. Gesetzliche Grundlage
Der Vergütungsanspruch des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegen die Staatskasse bestimmt sich nach §§ 8 ff. JVEG. Gem. § 8 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige ein Honorar für seine Leistungen nach Maßgabe der § 9 bis 11 JVEG, Fahrtkostenersatz gem. § 5 JVEG, Entschädigung für Aufwand nach § 6 JVEG sowie Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen nach den §§ 7 und 12 JVEG. Gem. § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG wird das Honorar, soweit es nach Stundensätzen zu bemessen ist, für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Dabei wird die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (§ 8 Abs. 2 S. 2 HS 1 JVEG). Das OLG Hamm hat darauf hingewiesen, dass die Höhe des Stundensatzes sich nach der Zugehörigkeit der Fachrichtung nach der in § 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG bestimmt.
2. Erforderlicher Zeitaufwand
Für die Berechnung der Vergütung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamm nicht die tatsächlich aufgewendete, sondern nur die erforderliche Zeit maßgeblich. Als erforderlich sei nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen benötigt, um sich nach sorgfältigem...