§ 14 RVG; Nr. 4108 VV RVG

Leitsatz

Beschränkt sich die Dauer eines Hauptverhandlungstermins beim AG auf 15 Minuten, so ist der Aufwand für die Bemessung der Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV als i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unterdurchschnittlich zu qualifizieren.

LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 22.2.2023 – 6 Qs 193 Js 15836/19 (29/23)

I. Sachverhalt

Der Angeklagte war zur Hauptverhandlung beim AG am 1.3.2021 geladen, zum Termin aber nicht erschienen. Der Termin hat daher nur 15 Minuten gedauert. Der Verteidiger hat nach Freispruch des Angeklagten im Rahmen der Kostenerstattung dafür die Mittelgebühr angesetzt, also nach dem anwendbaren alten Recht 275,00 EUR. Der Rechtspfleger hat nur 150,00 EUR festgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte beim LG keinen Erfolg.

II. Terminsdauer war unterdurchschnittlich

Die vom AG festgesetzten von der Landeskasse dem Verteidiger zu erstattenden notwendigen Auslagen sind nicht zu beanstanden. Die vom Verteidiger für den Hauptverhandlungstermin am 1.3.2021 geltend gemachte Terminsgebühr ist unbillig und damit unverbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Die durch den Rechtspfleger vorgenommene Kürzung der insoweit beantragten Gebühr nach Nr. 4108 VV auf 150,00 EUR hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Die Bemessung von Rahmengebühren habe der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen. Unbillig und damit nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unverbindlich sei der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Gebühr liegt, da einem Rechtsanwalt insoweit eine Toleranzgrenze eingeräumt wird (BGH, Urt. v. 31.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421 m.w.N. = AGS 2007, 28). Maßgebliche Kriterien für die Bemessung von Rahmengebühren seien u.a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers. Die sog. Mittelgebühr sei anzusetzen, wenn der "Normalfall" vorliegt, also ein Fall in dem sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, durchschnittlicher Art sind (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 26. Aufl., 2023, § 14 Rn 10).

Die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV entstehe für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Wegen des insoweit zu vergütenden Zeitaufwandes des Verteidigers stelle die Verhandlungsdauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins das wesentliche Bemessungskriterium für die Terminsgebühr dar (KG, Beschl. v. 24.11.2011 – 1 Ws 113-114/10, AGS 2012, 392; OLG Bamberg, Beschl. v. 6.2.2018 – 1 Ws 51/18, NStZ-RR 2018, 192 m.w.N. = RVGreport 2018, 172; OLG Hamm, Beschl. v. 3.12.2009 – 2 Ws 270/09). Hier habe die Verhandlungsdauer am 1.3.2021 ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls 15 Minuten betragen da der vormalige Angeklagte nicht erschienen war. Die Hauptverhandlungsdauer von 15 Minuten sei für ein Strafverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen. Hinzu komme, dass aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens des vormaligen Angeklagten keinerlei Tätigkeit des Verteidigers in dem Termin erforderlich gewesen sei. Der Arbeitsaufwand des Verteidigers im Rahmen dieses Hauptverhandlungstermins sei demnach insgesamt als sehr gering und weit unterdurchschnittlich anzusehen. Die deutliche Herabsetzung der Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 1.3.2021 von der Mittelgebühr auf 150,00 EUR erscheine der Kammer daher als angemessen.

III. Bedeutung für die Praxis

(Nur) 15 Minuten Hauptverhandlungsdauer sind auch beim Strafrichter des AG ein wenig zu kurz, sodass man gegen die Kürzung auf 150,00 EUR nichts einwenden kann. Denn für die Bemessung der Terminsgebühr ist vornehmlich auf die Terminsdauer abzustellen (zur Bedeutung der Terminsdauer für die Bemessung der Terminsgebühr Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 70 ff. m.w.N.). Bei der Bemessung spielen die vom Verteidiger im Termin erbrachten Tätigkeiten, auf die das LG hier auch abgestellt hat, wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. Denn die Terminsgebühr entsteht allein für die Teilnahme des Verteidigers am (Hauptverhandlungs-)Termin.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 11/2023, S. 499

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