a) Zuordnung zum Berufungsverfahren
§ 16 Nr. 11 RVG bestimmt, dass Zulassungs- und Rechtsmittelverfahren dieselbe Angelegenheit bilden. Folglich liegt zwar gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren eine besondere Angelegenheit vor, jedoch nicht im Verhältnis zum Berufungsverfahren. Wird die Berufung zugelassen, fallen folglich für Berufungs- und Zulassungsverfahren keine gesonderten Vergütungen an.
Das Berufungsverfahren beginnt deshalb gebührenrechtlich bereits mit Eingang des Antrags auf Zulassung der Berufung. Das ist auch im Hinblick auf das Übergangsrecht (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG) von Bedeutung, sodass es auch hier nur darauf ankommt, wann der unbedingte Auftrag für das Zulassungsverfahren erteilt wurde.
b) Gebühren
Nach Vorbem. 3.2 Abs. 1 VV finden die für das Berufungsverfahren anfallenden Gebühren auch in den Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht über die Zulassung des Rechtsmittels Anwendung.
Für das Verfahren vor dem OVG wegen der Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO, § 78 Abs. 4 AsylG fällt deshalb eine 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV) an. Bei dieser Gebühr verbleibt es auch dann, wenn die Zulassung abgelehnt wird. Weiter kann eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3202 VV) anfallen, deren Entstehungsvoraussetzungen sich aus der Vorbem. 3 Abs. 3 VV ergeben.
Beispiel 1
Bei dem Verwaltungsgericht wird die Zulassung der Berufung beantragt. Das OVG lässt die Berufung nicht zu. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden. Der Wert beträgt 20.000,00 EUR.
Es ist folgende Vergütung entstanden:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
1.315,20 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
253,69 EUR |
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Gesamt |
1.588,89 EUR |
Bereits mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist die 1,6-Verfahrensgebühr entstanden. Die Ablehnung der Zulassung führt keine Gebührenreduzierung herbei.
Beispiel 2
Bei dem Verwaltungsgericht wird die Zulassung der Berufung beantragt. Das OVG lässt die Berufung ohne mündliche Verhandlung zu. Es schließt sich das Berufungsverfahren an. Hier ergeht nach mündlicher Verhandlung ein Urteil. Der Wert beträgt 30.000,00 EUR.
Es ist folgende Vergütung entstanden:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
1.528,00 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV |
1.146,00 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
511,86 EUR |
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Gesamt |
3.205,86 EUR |
Zulassungs- und Berufungsverfahren bilden eine einheitliche Angelegenheit (§ 16 Nr. 11 RVG). Die Gebühren und Auslagen fallen nur einmal an.
c) Gegenstandswert
Der Gegenstandswert für das Zulassungsverfahren bestimmt sich gem. § 47 Abs. 3 GKG i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach dem für die Berufung maßgeblichen Wert, der sich nach den Anträgen des Berufungsklägers bestimmt (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG).
d) Sprungrevision und Sprungrechtsbeschwerde
Die Verfahren wegen der Zulassung der Sprungrevision (§ 566 ZPO) und der Sprungrechtsbeschwerde (§ 75 FamFG), über die der BGH als Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht entscheidet, werden von § 16 Nr. 11 RVG erfasst. Die anwaltliche Tätigkeit ist folglich dem Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdeverfahren zuzuordnen.
Für die Gebühren gilt Vorbem. 3.2 Abs. 1 VV, sodass die für die Revision bzw. Rechtsbeschwerde entstehenden Gebühren zur Anwendung kommen. Die 2,3-Verfahrensgebühr der Nr. 3208 VV wird bereits mit Stellung des Zulassungsantrags verdient. Hingegen entsteht nur eine 1,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3209 VV, wenn der gegnerische Anwalt sich nur bestellt oder eine Einwilligungserklärung nach § 566 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO abgibt. Die Einwilligungserklärung des Gegners ist nach § 19 Abs. 1 S. 1 RVG dem jeweiligen Rechtszug zuzuordnen und somit noch dem unteren Rechtszug, wenn der dort bestellte Anwalt die Erklärung abgibt. Wird sie bereits vom für das Rechtsmittelverfahren beauftragten Anwalt abgegeben, zählt sie zum Rechtsmittelrechtszug.
Erfolgt lediglich eine teilweise Zulassung von Sprungrevision oder Sprungrechtsbeschwerde, entsteht die Verfahrensgebühr zwar nach dem Gesamtwert, der sich nach den Gegenständen richtet, für den die Zulassung beantragt war. Soweit aber Gebühren nur im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren anfallen, wie etwa die Terminsgebühr, sind sie nur nach dem (geringeren) Wert des Rechtsmittelverfahrens zu berechnen.
Entscheidet über die Zulassung der Sprungrevision oder Sprungrechtsbeschwerde noch das Ausgangsgericht (vgl. § 76 Abs. 3, § 96a Abs. 2 ArbGG, § 161 Abs. 3 SGG, § 134 Abs. 3 VwGO), ist das Zulassungsverfahren wegen § 19 Abs. 1 S. 1 RVG noch der ersten Instanz zuzuordnen und mit den dortigen Gebühren abgegolten.
Beispiel 3
In einer Zivilsache wegen 20.000,00 EUR wird die Zulassung der Sprungrevision beantragt. Der BGH lässt diese vollumfänglich zu. Im nachfolgenden Revisionsverfahren ergeht nach mündlicher Verhandlung ein Urteil.
Es ist folgende Vergütung entstanden:
1. |
2,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3208 VV |
1.890,60 EUR |
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(W... |