1. Anwendbare Wertvorschrift
Für den eigentlich recht einfach zu behandelnden Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für das beim BGH anhängig gewesene Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Einzelrichter des VII. ZS des BGH leider die falsche Wertvorschrift herangezogen. Für die Festsetzung des Gegenstandswertes in Beschwerdeverfahren, zu denen auch das Rechtsbeschwerdeverfahren gehört, ist nämlich auch in Zwangsvollstreckungssachen die allgemeine Wertvorschrift des § 23 Abs. 2 S. 1 RVG heranzuziehen, wenn – wie hier – die anfallenden Gerichtsgebühren sich nicht nach dem Streitwert richten. In einem solchen Fall ist der Gegenstandswert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen, soweit sich aus dem RVG nichts anderes ergibt, was hier nicht der Fall ist (s. hierzu Volpert, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2004, Teil 18 Rn 90; N. Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 8 Rn 586; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl., 2021, § 25 RVG Rn 52; AnwK-RVG/Volpert, 9. Aufl., 2021, § 25 RVG Rn 93 ff.).
2. Wertbestimmung nach billigem Ermessen
Somit bestimmt sich der Gegenstandswert in Beschwerdeverfahren auch in Zwangsvollstreckungssachen nach billigem Ermessen. Damit ist für Beschwerden in Zwangsvollstreckungssachen für die Festsetzung des Gegenstandswertes nicht – wie es hier der Einzelrichter des VII. ZS des BGH getan hat – die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG heranzuziehen, wonach sich der Gegenstandswert nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen bestimmt. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG hat für die Festsetzung des Gegenstandswertes in Beschwerdeverfahren nur insoweit Bedeutung, als nach § 23 Abs. 2 S. 2 RVG der Gegenstandswert in Beschwerdeverfahren durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens begrenzt ist. Der nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen zu bestimmende Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren stellt also lediglich die Obergrenze dar.
3. Interesse der Schuldnerin
Der Einzelrichter des VII. ZS des BGH hätte deshalb für die Bemessung des Gegenstandswertes das Interesse der Schuldnerin an der von ihr begehrten Aufhebung des Beschlusses des LG Bochum berücksichtigen müssen. Bei diesem Beschwerdeverfahren ging es lediglich um die formalen Anforderungen für den Antrag der Gläubigerin auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und nicht etwa um die Hauptforderung i.H.v. 34,60 EUR nebst den Nebenforderungen in nicht näher aufgeschlüsselter Höhe. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass sich bei richtiger Gesetzesanwendung ein anderer Gegenstandswert ergeben hätte, der unterhalb des tatsächlich festgesetzten Wertes von 507,25 EUR gelegen hat.
4. Verfahrensweise des BGH
Auch wenn hier zufällig die praktischen Auswirkungen der unrichtigen Rechtsanwendung des Einzelrichters des BGH überschaubar sind, halte ich es schon für bedenklich, wenn ein Mitglied eines Bundesgerichts für die Festsetzung des Gegenstandswertes eine nicht einschlägige Gesetzesvorschrift heranzieht. Ein Blick ins Gesetz und ggf. ergänzend in einen Kommentar hätte dabei zur Anwendung der richtigen Wertvorschrift geführt. Dies ist leider kein Einzelfall. Im Beschl. v. 9.12.2022 (AGS 2023, 88 [Hansens]) hatte die Berichterstatterin des I. ZS des BGH die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf § 25 Ab. 1 Nr. 3 RVG gestützt, anstatt die richtige Wertvorschrift des § 23 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 S. 2 RVG anzuwenden. In jenem Fall war nicht auszuschließen, dass bei richtiger Gesetzesanwendung ein andrerer Wert festgesetzt worden wäre.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 11/2023, S. 524 - 526