§ 37 RVG; Nr. 7000 VV RVG
Leitsatz
- Im verfassungsgerichtlichen Verfahren eingereichte Mehrfertigungen sind nicht stets erstattungsfähig, sondern nur in den in der Nr. 7000 VV geregelten Fällen.
- Vor dem Hintergrund, dass nach der Praxis des BVerfG Akteneinsicht im verfassungsgerichtlichen Verfahren in der Weise gewährt wird, dass entweder die Möglichkeit eingeräumt wird, die Verfahrensakte am Gerichtssitz einzusehen, oder indem das Gericht Kopien aus der Verfahrensakte fertigt und dem Beteiligten übersendet, ist es, zumal wenn die Akten einen erheblichen Umfang haben, nicht zu beanstanden, wenn der Akteneinsichtsberechtigte die Entscheidung trifft, die Akten vor Ort einzusehen und so von seinem Akteneinsichtsrecht Gebrauch zu machen.
BVerfG, Beschl. v. 28.9.2023 – 2 BvR 739/17
I. Sachverhalt
Gegenstand des Verfahrens ist eine sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Zweiten Senats des BVerfG. Der beschwerdeführende Rechtsanwalt hatte im März 2017 Verfassungsbeschwerde gegen ein von Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetz eingelegt und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Vorsitzende des Zweiten Senats ordnete die Zustellung der Verfassungsbeschwerde gem. §§ 94, 77 BVerfGG an und gab verschiedenen Verbänden nach § 27a BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Rechtsanwalt wurde mitgeteilt, welchen Stellen bis wann Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde und dass ihm beim Gericht eingehende Stellungnahmen zur Kenntnis gebracht würden. Der Vorsitzende ordnete dann mit am 21.2.2018 versandten Schreiben die Übersendung der eingegangenen Stellungnahmen auch an den Rechtsanwalt an.
Im Laufe des Verfahrens beantragte der Rechtsanwalt mehrfach die Gewährung von Akteneinsicht. Das Gericht kam den Gesuchen in der Weise nach, dass es dem Rechtsanwalt am 22.11.2017 und am 15.3.2018 jeweils ermöglichte, die Verfahrensakten am Gerichtssitz einzusehen.
Mit Beschl. v. 13.2.2020 hat das BVerfG der Verfassungsbeschwerde stattgegeben und die Erstattung notwendiger Auslagen gem. § 34a Abs. 2 BVerfGG angeordnet; mit Beschl. v. 1.12.2020 wurde ergänzend angeordnet, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Rechtsanwalt seine notwendigen Auslagen sowohl für das Hauptsacheverfahren als auch für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten habe. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wurde für das Hauptsacheverfahren auf 250.000,00 EUR und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 125.000,00 EUR festgesetzt. Der Rechtsanwalt hat zuletzt beantragt, für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Kosten i.H.v. 3.047,35 EUR und für das Verfassungsbeschwerdeverfahren Kosten i.H.v. 5.392,01 EUR festzusetzen. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat er eine 1,6-Verfahrensgebühr, eine Pauschale für Post und Telekommunikation sowie Umsatzsteuer geltend gemacht, im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine 1,6-Verfahrensgebühr, Auslagen für die Erstellung von insgesamt 2.420 Mehrfertigungen, Reisekosten für die An- und Abreise zur Akteneinsicht am 22.11.2017 und am 15.3.2018 mit der Bahn nebst Tage- und Abwesenheitsgeldern, eine Pauschale für Post und Telekommunikation sowie Umsatzsteuer.
Die Rechtspflegerin des Zweiten Senats hat die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 7.175,30 EUR, und zwar 2.970,53 EUR für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und 4.204,77 EUR für das Verfassungsbeschwerdeverfahren, festgesetzt. Die beantragten Auslagen für Kopierkosten i.H.v. 380,50 EUR und Reisekosten für zwei Akteneinsichtnahmen i.H.v. 385,80 EUR und dabei angefallene Tage- und Abwesenheitsgelder i.H.v. 140,00 EUR sind als nicht erstattungsfähig angesehen worden, weil sie nicht notwendig gewesen seien.
Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte in der Sache teilweise Erfolg. Die Ablehnung der Erstattung der geltend gemachten Auslagen für die Kopien hat das BVerfG bestätigt, die Ablehnung der Festsetzung von Kosten für die zwei Akteneinsichtnahmen hat es hingegen beanstandet.
II. Absetzung der Kosten für die Kopien
Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Festsetzung von Kosten für insgesamt 2.420 Kopien hat das BVerfG als unbegründet angesehen. Der insoweit allein in Betracht kommende Kostentatbestand der Nr. 7000 Nr. 1 b) VV sei nicht erfüllt. Der Rechtsanwalt sei nach den einschlägigen Regelungen des BVerfGG nicht zur Vorlage von Mehrfertigungen seiner Schriftsätze verpflichtet gewesen. Zudem haben der Vorsitzende oder der Berichterstatter ihn zu keinem Zeitpunkt während des Verfahrens gem. § 23 Abs. 3 BVerfGG zur Vorlage entsprechender Mehrfertigungen aufgefordert. Es spiele auch keine Rolle, ob das Gericht ihn darauf hingewiesen habe, dass es keine Mehrfertigungen benötige. Welche Unterlagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorzulegen seien, ergebe sich ohne Weiteres aus dem Gesetz und muss dem rechtskundigen Beschwerdeführer i.Ü. auch bekannt sein.
Soweit im Schrifttum teilweise vertreten werde, dass eingereicht...