§§ 103, 166 Abs. 2, 191, 310, 331 Abs. 3 ZPO
Leitsatz
- Ein im schriftlichen Vorverfahren erlassenes Versäumnisurteil stellt nur dann einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel und damit eine Grundlage für die Kostenfestsetzung dar, wenn es beiden Parteien von Amts wegen wirksam zugestellt worden ist.
- Eine Zustellung des im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteils im Parteibetrieb genügt hingegen nicht.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.11.2022 – 6 W 52/22
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte vor dem LG Potsdam gegen den in Griechenland ansässigen Beklagten antragsgemäß im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 Abs. 3 ZPO ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erwirkt, mit dem zugleich die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt worden waren. In diesem Versäumnisurteil wurde der Beklagte verpflichtet, ein gebrauchtes Segelboot nebst Zubehör Zug um Zug gegen Zahlung des restlichen Kaufpreises herauszugeben. Das LG Potsdam veranlasste von Amts wegen die Zustellung dieses Versäumnisurteils. An den Beklagten konnte die Zustellung durch die zuständigen griechischen Behörden nicht bewirkt werden. Als Grund war dafür angegeben "Address unknown" (Adresse unbekannt) sowie "Addressee cannot be located" (Adressat nicht aufzufinden).
Der Kläger beantragte auf der Grundlage der im Versäumnisurteil enthaltenen Kostenentscheidung die Festsetzung seiner gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten gegen den Beklagten. Der Rechtspfleger des LG Potsdam wies den Kostenfestsetzungsantrag als unzulässig zurück. Dies hat er damit begründet, es fehle an einem zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel, der bei einem im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteil die Zustellung von Amts wegen an den Beklagten voraussetze. An dieser Zustellung fehle es jedoch.
Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Kläger seinen Kostenfestsetzungsantrag weiterverfolgt. Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Kläger vorgebracht, in Griechenland könne die Zustellung von Urteilen lediglich im Parteibetrieb und damit durch den Gerichtsvollzieher erfolgen. Deshalb habe er das Versäumnisurteil dem Beklagten in Griechenland zustellen lassen. Einen Zustellungsnachweis hat der Kläger nicht zu den Akten gereicht.
Der Rechtspfleger des LG Potsdam hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt. Das OLG hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.
II. Grundlage der Kostenfestsetzung
1. Zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel
Gem. § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Aus diesem muss sich ergeben, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Ein solcher Titel kann grds. auch ein im schriftlichen Vorverfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO erlassenes Versäumnisurteil sein.
2. Besonderheiten bei einem im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteil
Ein im schriftlichen Vorverfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO erlassenes Versäumnisurteil ist nach Auffassung des OLG Brandenburg jedoch nur dann ein zur Zwangsvollstreckung und damit auch zur Kostenfestsetzung geeigneter Titel, wenn er beiden Parteien wirksam zugestellt worden ist. Grds. werde nämlich ein Versäumnisurteil mit seiner Verkündung wirksam. Bei einem im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Versäumnisurteil werde die Verkündung jedoch gem. § 310 Abs. 1 ZPO durch die von Amts wegen zu erfolgende Zustellung ersetzt. Diese Zustellung stelle den Staatsakt dar, durch den das Urteil aus dem inneren Bereich des Gerichts heraustrete und damit überhaupt rechtlich existent werde.
a) Zustellung von Amts wegen
Das OLG Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass diese Zustellung gem. § 166 Abs. 2 ZPO zwingend von Amts wegen vorzunehmen sei.
b) Keine Zustellung im Parteibetrieb
Demgegenüber genügt nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg eine Zustellung im Parteibetrieb nicht. Diese finde nämlich gem. § 191 ZPO nur in den gesetzlich zugelassenen oder vorgeschriebenen Fällen statt. Hierunter falle jedoch die Zustellung eines im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Versäumnisurteils nicht.
c) Keine Zustellung im Parteibetrieb aufgrund Europarecht
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus europarechtlichen Zustellungsvorschriften. Zwar ist in Art. 20 EuZustVO (VO(EU)2020 1784) in der ab dem 1.7.2022 geltenden und der bis dahin in Art. 15 EuZustVO (VO(EU)1393/2007) enthaltenen korrespondierenden Fassung geregelt, dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedstaates zustellen lassen kann, wenn eine solche unmittelbare Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist. Hierauf konnte sich der Kläger jedoch nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht mit Erfolg berufen. Das Vorgehen nach Art. 20 (früher Art. 15) EuZustVO setze nämlich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die Z...