§ 14 RVG; Nrn. 4100, 4106, 4108 VV RVG
Leitsatz
Eine Hauptverhandlungsdauer von 2 Stunden und 30 Minuten liegt für ein Verfahren beim Strafrichter deutlich über dem Durchschnitt. Dies rechtfertigt (für den Nebenklägervertreter) die Erhöhung der Terminsgebühr um 50 %.
LG Potsdam, Beschl. v. 15.8.2024 – 24 Qs 41/24
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war Nebenklägervertreter. Das AG – Strafrichter – hat den Angeklagten verurteilt und ihm auch die notwendigen Auslagen des Nebenklägers auferlegt. Der Rechtsanwalt hat sie gegenüber dem Angeklagten geltend gemacht. Das AG hat die anwaltlichen Gebühren für den Nebenklägervertreter oberhalb der Mittelgebühr festgesetzt. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Angeklagten hatte keinen Erfolg.
II. Angemessenheit der Rahmengebühren
1. Allgemeine Bewertungskriterien
Die Angemessenheit einer Rahmengebühr für eine anwaltliche Tätigkeit bestimme sich gem. § 14 RVG nach dem Umfang sowie der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie den Einkommensverhältnissen des Auftraggebers. Ausgehend von diesen Zumessungskriterien ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass die anwaltliche Tätigkeit des Nebenklägervertreters wegen der Bedeutung der Angelegenheit von den Durchschnittsfällen, die regelmäßig vor dem Strafrichter des AG verhandelt werden, abweicht, während i.Ü. der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommensverhältnisse des Auftraggebers als durchschnittlich anzusehen sind, was dem Angeklagten zuzugestehen ist.
a) Umfang der anwaltlichen Tätigkeit
Der Umfang einer anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 14 RVG bemesse sich nach dem tatsächlichen zeitlichen Aufwand des Rechtsanwaltes bei der Bearbeitung des konkreten Mandates. Eine besondere Berücksichtigung sollen dabei dem Aktenumfang, der Auswertung von Beiakten sowie der Anzahl und dem Umfang der gefertigten Schriftsätze zukommen (vgl. a. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 1765 ff.).
Von diesen Kriterien ausgehend sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hier als durchschnittlich zu betrachten. Der Aktenumfang umfasse 192 Seiten. Beiakten hätten nicht existiert. Zwar habe der Nebenklägervertreter Beschwerde eingelegt, um die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft abzuwenden, und hierdurch die Fortführung des Verfahrens und schließlich die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung auch erreicht. Eine ungewöhnlich aufwendige anwaltliche Tätigkeit sei in der Einlegung des Rechtsmittels jedoch nicht zu erkennen, denn es seien keine schwierigen rechtlichen Fragen zu beurteilen gewesen. Letzteres werde auch daran deutlich, dass die Beschwerdeschrift lediglich anderthalb Seiten umfasst habe.
b) Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Die Schwierigkeit einer anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 14 RVG bestimme sich demgegenüber nach der Intensität der anwaltlichen Arbeit. Schwierig sei eine Tätigkeit dabei dann, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, seien sie rechtlicher oder tatsächlicher Natur (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A 1771 ff.).
Derartige Probleme seien hier ebenfalls nicht zu erkennen. Zwar sei der Nebenkläger vietnamesischer Staatsangehöriger, er arbeite aber seit vielen Jahren in Deutschland und kommuniziere mit seinen Kollegen in der deutschen Sprache. Er müsse deshalb über Sprachkenntnisse verfügen, die alltagstauglich seien und eine Kommunikation mit ihm erlauben. Aus diesem Grunde könne das Vorbringen des Nebenklägervertreters nicht überzeugen, wonach sprachliche Schwierigkeiten, die in der Hauptverhandlung die Hinzuziehung eines Dolmetschers veranlasst hätten, die Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit erheblich erhöht hätten. Deshalb sei auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit lediglich als durchschnittlich zu beurteilen.
c) Bedeutung der Angelegenheit
Dagegen war nach Auffassung des LG die Bedeutung der Angelegenheit gegenüber den Durchschnittsfällen vor dem Strafrichter des AG deutlich erhöht.
Für die Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit i.S.d. § 14 RVG sei es demgegenüber entscheidend, welche tatsächliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung die Sache gerade für den Auftraggeber, hier den Nebenkläger, aufweist (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 1775 ff.). Hier sei die Bedeutung der Angelegenheit dadurch erhöht gewesen, dass die vom Angeklagten begangene Körperverletzung bei ihm zu einem Rippenbruch geführt hatte, die nach Lage der Akten eine erstaunliche lange, 10-monatige Arbeitsunfähigkeit des Nebenklägers zur Folge hatte. Die tatsächlichen wie auch die wirtschaftlichen Folgen der Tat – der Nebenkläger habe aufgrund der Arbeitsunfähigkeit nach der Lebenserfahrung keinen Lohn, sondern Krankengeld erhalten – weichen – so das LG – deshalb erheblich von den durchschnittlichen Fällen, die beim Strafrichter des AG verhandelt werden, ab.
2. Konkrete Bewertung
Die vorstehende Bewertung durch das LG hat dazu geführt, dass der Nebenklägervertreter vom Grundsatz her zu Recht eine höhere a...