1. Bedürftigkeit und "Klarheit" über Beratungshilfe-Mandat
Das AG Brühl beschäftigt sich gleich mit mehreren relevanten Fragen, die wohl intensiver im Beschluss des Rechtspflegers, als dann final in der richterlichen Entscheidung thematisiert werden. Interessant ist dabei vor allem auch die Frage: Wann muss eine Bedürftigkeit vorliegen? Das AG Brühl entschied korrekt, dass auf die Einkommens- und Vermögenslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Beratungshilfe abzustellen ist (OVG Münster, Beschl. v. 7.1.2021 – 19 A 3629/18.A; OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.4.2019 – 13 WF 84/19; BayVGH München, Beschl. v. 27.7.2017 – 15 C 14.2047; BayLSG München, Beschl. v. 12.10.2010 – L 11 AS 624/10 B PKH; ArbG Regensburg Rpfleger 1994, 70). Wie bei der Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist auch hier hinsichtlich der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Entscheidung bzw. der Entscheidungsreife abzustellen. Im Rahmen der Beratungshilfe ist also maßgeblich die Frage der Bedürftigkeit zum Zeitpunkt der erstmaligen Inanspruchnahme der Beratungshilfe, denn es muss stets von vornherein klar sein, ob ein Mandat nach den speziellen Bestimmungen des BerHG oder ein normaler Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen ist. Anders verhält es sich im Falle des § 6 Abs. 2 BerHG, wonach hier der Zeitpunkt maßgebend ist, zu dem die Beratungsperson selbst die Voraussetzungen überprüft (AG Eschweiler Rpfleger 1991, 322). Hat der Rechtsuchende jedoch zu dem Zeitpunkt, als sich die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Beratungshilfe abzeichnete, seine Hilfsbedürftigkeit durch offensichtliche Vermögensverschiebungen vorsätzlich herbeigeführt bzw. in Kenntnis des bevorstehenden Rechtsstreits sich seines Vermögens entäußert (KG, Beschl. v. 24.1.2014 – 8 W 4/14) oder Ausgaben getätigt, für die keine dringende Notwendigkeit bestand, so scheidet eine Bewilligung von Beratungshilfe aus.
2. Keine präventive Beratung und Selbstzahlervergleich
Bei der Beratungshilfe ist klar: Ein konkretes Rechtsanliegen muss stets gegeben sein. Es muss sich um ein vorliegendes Rechtsproblem handeln. Es müssen Anzeichen für eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung vorliegen, d. h. eine lediglich allgemeine oder präventive Beratung zu einem Rechtsgebiet ist von der Beratungshilfe nicht umfasst. Der kostenbewusste Rechtsuchende wird sich auch die Frage stellen, zu welchem Zeitpunkt er entsprechende Hilfe zur effektiven Ausübung der Rechte in Anspruch nehmen wird. Daher begründet die Befürchtung, irgendwann zu ungewisser Zeit einen Rechtsverlust zu erleiden, keinen Anspruch auf Beratungshilfe, d. h. es ist keine präventive Beratung im Rahmen der Beratungshilfe möglich (BVerfG FamRZ 2012, 509 = RVGreport 2012, 199). Dies lässt sich auch mit dem sog. Selbstzahlervergleich begründen, denn auch ein verständiger selbstzahlender Dritter würde erst dann einen Rechtsanwalt konsultieren, wenn eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung vorliegt. Eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung liegt z. B. nicht oder noch nicht vor, wenn es nur um pauschale Überprüfung der Richtigkeit von Bescheiden oder ähnlichem geht. In der vorliegenden Entscheidung besagte das AG Brühl zu Recht, dass noch kein beschwerender Bescheid gegeben war. Folglich bestand im konkreten Fall "noch" kein Anlass für Beratungshilfe. Es ist bei der Beratungshilfe ein gewisses Maß an Eigeninitiative zu erwarten (BVerfG Rpfleger 2016, 165 = AGS 2016, 202; AG Halle (Saale), Beschl. v. 28.3.2012 – 103 II 6366/11), damit es nicht zu einer Besserstellung des mittellosen Rechtsuchenden gegenüber Selbstzahlern kommt. Hierbei kommt es im Wesentlichen auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Rechtsuchenden selbst, aber auch auf den Umfang, die Schwierigkeit oder die Bedeutung der Rechtsangelegenheit an (Timme, NJW 2013, 3057; Zempel, FPR 2013, 265). Von einem durchschnittlichen Bürger kann erwartet werden, dass sich dieser ein entsprechendes "Basiswissen" verschaffen kann. Auch zu dieser Frage wird regelmäßig auf einen vernünftigen Selbstzahler abzustellen sein, der das Vorhaben genau abwägt und insbesondere auch das Kostenrisiko kalkuliert.
Dipl.-RPfl. Stefan Lissner, Salem
AGS 11/2024, S. 517 - 518