§ 51 RVG
Leitsatz
- Zur (verneinten) Gewährung einer Pauschgebühr im Strafvollstreckungsverfahren.
- Wird der Antrag auf Gewährung einer Pauschgebühr im Strafvollstreckungsverfahren allein auf den Umstand gestützt, dass es zu zwei Anhörungsterminen gekommen ist, muss substantiiert dargelegt werden, wieso der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts hierdurch erheblich und unzumutbar geworden sein soll.
KG, Beschl. v. 23.9.2024 – 1 AR 1/24
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war für den Untergebrachten als Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren bestellt worden. Er hat u.a. an zwei Anhörungsterminen teilgenommen. Der Pflichtverteidiger hat dann beantragt, eine Pauschgebühr i.H.v. der Gebühr nach Nrn. 4202, 4203 VV festzusetzen. Das KG hat den Antrag abgelehnt.
II. Exorbitante Mühewaltung
Das KG verneint unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 24.7.2024 die Voraussetzungen "der Ausnahmevorschrift des § 51 RVG". Eine Pauschvergütung sei nicht schon dann zu bewilligen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und/oder besonders schwierig war. Sie komme vielmehr nur dann in Betracht, wenn die gesetzlichen Gebühren augenfällig unzureichend und unbillig seien, weil die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen – Sachen in exorbitanter Weise abhebt (vgl. BGH, Beschl. v. 1.6.2015 – 4 StR 267/11, StraFo 2015, 349 = NJW 2015, 2437 = AGS 2016, 5; KG, Beschl. v. 9.11.2015 – 1 ARs 20/15). Denn die Pauschvergütung diene allein dem Zweck, unzumutbare Belastungen des Pflichtverteidigers in angemessener Weise auszugleichen. Der Gesetzgeber habe durch das eigenständige Kriterium der Unzumutbarkeit den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 RVG zugleich einschränken und den Ausnahmecharakter dieser Regelung zum Ausdruck bringen wollen (vgl. BT-Drucks 15/1971, 291). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, richte sich nach dem Umfang der Tätigkeit des Verteidigers in dem gesamten Verfahren (vgl. KG, Beschl. v. 23.9.2015 – 1 ARs 5/15). So könne ein erhöhter Arbeits- und Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt durch eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme in anderen Teilen mit der Folge kompensiert werden, dass mit den im VV RVG bestimmten Gebühren in der Summe die erbrachte Tätigkeit des Rechtsanwalts noch ausreichend bezahlt ist.
III. Gesamtschau
Eine unter Berücksichtigung der danach geltenden Maßstäbe ausgerichtete Gesamtschau ergab nach Auffassung des KG, dass die Inanspruchnahme des Antragsstellers mit den gesetzlich bestimmten Gebühren i.H.v. 722,33 EUR (1 x Verfahrensgebühr nach Nrn. 4201, 4200 Nr. 1a VV von 395,00 EUR und 1 x Terminsgebühr nach Nm. 4203, 4202 VV von 192,00 EUR, 1 x Nr. 7002 VV von 20,00 EUR zzgl. 19 % Mehrwertsteuer) zumutbar vergütet worden ist. Zwar habe der Antragsteller in dem Verfahren an zwei Anhörungsterminen (21.4.2023 und 19.5.2023) teilnehmen müssen, weil sein Mandant am 21.4.2023 unverschuldet nicht teilnehmen konnte. Jedoch begründe dies kein unzumutbares Sonderopfer, das durch eine Pauschvergütung kompensiert werden müsste. Der Antragsteller selbst stütze seinen Antrag allein auf dem Umstand, dass es zu zwei Anhörungsterminen gekommen sei, ohne substantiiert darzulegen, wieso sein Arbeitsaufwand hierdurch erheblich und unzumutbar geworden sein solle, wozu er im Rahmen des Verfahrens nach § 51 RVG allerdings verpflichtet sei (vgl. KG, Beschl. 23.4.2024 – 1 AR 17/23 m.w.N.). Aus dem Wortlaut der Nr. 4202 VV im Vergleich zu den sonstigen Regelungen in den Nrn. 4108, 4114, 4120, 4126 und 4132 VV, in denen die Gebührentatbestände für Terminsgebühren definiert werden, ergebe sich, dass im Strafvollstreckungsverfahren, entsprechend der Regelung in § 15 Abs. 2 RVG, nur eine Terminsgebühr geltend gemacht werden kann, auch wenn mehrere Anhörungstermine erforderlich seien (vgl. KG, Beschl. v. 26.5.2006 – 5 Ws 258/06; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023, VV 4200–4207 Rn 8 m.w.N.). Vor dem Hintergrund hätte der Antragsteller nach Auffassung des KG konkret vortragen müssen, wieso er entgegen der gesetzlichen Wertung ein Sonderopfer erbracht haben will.
Schließlich ergebe sich, wie vom Bezirksrevisor zutreffend dargelegt werde, aus der Aktenlage ebenfalls keine exorbitante Mühewaltung des Antragstellers, die eine Pauschvergütung rechtfertigen könnte. Der Antragsteller betreue den Untergebrachten seit vielen Jahren, sei mit dessen psychischen Erkrankung und der Unterbringungssituation vertraut, eine umfängliche und arbeitsintensive Einarbeitung sei daher nicht nötig gewesen.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Zu dem Beschluss könnte man eine Menge schreiben. Aber: Es lohnt sich nicht. Die OLG interessiert es nämlich nicht. Sie beharren auf der falschen Rspr. des BGH zur "exorbitanten Mühewaltung", die dem RVG widerspricht. Aber der BGH und die OLG wissen es eben besser bzw. meinen, es besser zu wissen. Auch die Ansicht des KG zur Kompensation ist falsch. Aber auch daran hält man fest getreu dem Grundsatz: Einmal falsch, immer falsch. Schließlich zieht auch der Hinweis auf die unterschiedlichen Regelungen in den Nrn. 4108, 4114, 4120, 4126 und 413...