1. Verfahrensweise der Urkundsbeamten
Der UdG des VG Bremen sind in dieser Sache gleich mehrere grobe Fehler unterlaufen.
a) Übersehener Antrag auf Mitfestsetzung von Gerichtskosten
Zum einen hat sie den – zulässig – unbezifferten Antrag der Klägerin auf Mitfestsetzung von Gerichtskosten übersehen, obwohl in dem Kostenfestsetzungsantrag an zwei Stellen ausdrücklich von der Festsetzung von Gerichtskosten die Rede war.
b) Unberechtigte Festsetzung der Umsatzsteuer
Ferner hat die UdG trotz der eindeutigen Formulierung in dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin, die ausgewiesene Umsatzsteuer sei wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei nicht festzusetzen, diese gleichwohl festgesetzt. Da fragt man sich schon, wie genau die Urkundsbeamtin den ihr vorliegenden Kostenfestsetzungsantrag gelesen hat.
c) Vollständige Aufhebung des ersten Kostenfestsetzungsbeschlusses
Ein noch schwererer Fehler ist der Urkundsbeamtin jedoch in der Folgezeit unterlaufen. Die Beklagte hat sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschl. v. 6.10.2023 mit ihrer Erinnerung nur gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer i.H.v. 162,45 EUR gewandt. Gleichwohl hat die Urkundsbeamtin auch den von der Beklagten nicht angefochtenen Teil des Kostenfestsetzungsbeschlusses, durch den außergerichtliche Kosten i.H.v. 855,00 EUR netto festgesetzt worden sind, aufgehoben, obwohl diese Festsetzung rechtskräftig geworden war. Nicht auszudenken, wenn die Klägerin aus dem Kostenfestsetzungsbeschl. v. 6.10.2023 bereits die Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte betrieben hätte. Diese wäre nämlich infolge der dann eingetretenen Rechtskraft auf jeden Fall hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten i.H.v. 855,00 EUR netto zulässig gewesen.
d) Berichtigte Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung übersehen
Schließlich hat die Urkundsbeamtin überhaupt nicht berücksichtigt, dass die Klägerin auf die Erinnerung der Beklagten gegen die Mitfestsetzung der Umsatzsteuer vorgebracht hatte, ihr Hinweis auf ihre Vorsteuerabzugsberechtigung sei unrichtig und ein Versehen gewesen, sodass die Umsatzsteuer zu Recht festgesetzt worden sei. Es entspricht nämlich allgemeiner Auffassung, dass die erstattungsberechtigte Partei die Festsetzung der auf die anwaltlichen Gebühren und Auslagen entfallenen Umsatzsteuer, die sie in ihrem ersten Kostenfestsetzungsantrag wegen (vermeintlicher) Vorsteuerabzugsberechtigung nicht beantragt hatte, im Wege der Nachfestsetzung geltend machen kann (OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Naumburg RVGreport 2014, 242 [Ders.]; OLG Karlsruhe RVGreport 2007, 277 [Ders.]; LAG Düsseldorf JurBüro 2001, 146). Hinsichtlich der Erklärung über die Vorsteuerabzugsberechtigung im Kostenfestsetzungsverfahren ist nämlich die zuletzt abgegebene Erklärung maßgeblich (OLG München JurBüro 1996, 427; OLG Düsseldorf JurBüro 2000, 478). Vorliegend hatte die Klägerin ihre in ihrem ersten Kostenfestsetzungsantrag abgegebene Erklärung, sie sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, später berichtigt. Folglich hätte die UdG die Erwiderung der Klägerin auf die Erinnerung der Beklagten als eine solche Berichtigung ansehen müssen. Die Urkundsbeamtin hätte dann bei der Klägerin nachfragen müssen, ob diese Berichtigung als Nachfestsetzungsantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer anzusehen sei. Bejahendenfalls hätte sie zwar dem ersten Kostenfestsetzungsbeschluss auf die Erinnerung der Beklagten hinsichtlich der Umsatzsteuer abhelfen, diese aber in ihrem zweiten Kostenfestsetzungsbeschluss wieder festsetzen müssen.
2. Nachfestsetzung der Gerichtskosten
Zutreffend hat das OVG Bremen ausgeführt, der Nachfestsetzung von Gerichtskosten stehe die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschl. v. 6.10.2023 nicht entgegen.
Die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht einer erneuten Kostenfestsetzung nämlich nur dann entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist (BGH RVGreport 2011, 309 [Hansens]; BGH BRAGOreport 2003, 57 [Ders.] = JurBüro 2003, 260; BPatG zfs 2023, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2022, 521 [Hansens]). Versehentlich in einem ersten Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemachte Posten sind demgegenüber der Nachliquidation zugänglich (BVerfG NJW 1995, 1886; BGH NJW 2009, 3104; FamRZ 2011, 1222; BGH RVGreport 2011,28 [Hansens] = zfs 2011, 101 m. Anm. Hansens = AGS 2010, 580 m. zust. Anm. N. Schneider; OLG München MDR 2003, 55; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Celle AGS 2010, 582 m. zust. Anm. N. Schneider; LG Trier JurBüro 2012, 250; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 104 Rn 21.61 "Nachliquidation" m.w.N.).
Ob ein solcher Fall vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hat der Erstattungsberechtigte in seinem ersten Kostenfestsetzungsantrag seinen gesamten Erstattungsanspruch geltend gemacht, gibt er damit zu erkennen, dass er eben diesen ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben will. In einem solchen Fall sollte kein Rest zurückgestellt w...